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Ausbreitung einer Tropenkrankheit: Woher kam, wohin ging die Malaria?

Ein Glücksfund alter Laborproben erlaubt, die Geschichte der Malaria genauer zu untersuchen. Bislang war dies gescheitert: Es fehlte schlicht am Wissen über die vor Jahrzehnten ausgerotteten europäischen Parasitenstämme.
zwei Objektträger aus den 1940ern mit Blutabstrichen längst verstorbener Malariapatienten

Die beiden wichtigsten Arten der Malaria sind ungleich über die Erde verteilt: Während sich der Erreger Plasmodium vivax weltweit auch in die gemäßigten Zonen verbreitet, findet sich das häufiger tödliche Plasmodium falciparum eher im Tropengürtel in Amerika und vor allem in Afrika südlich der Sahara. Das hat mit dem Lebensraum der Mücken zu tun, die die Erreger von Mensch zu Mensch übertragen; Medizinhistoriker spekulieren aber auch interessiert darüber, wann und wie das in Afrika entstandene P. vivax seit Jahrtausenden mit seinem menschlichen Wirt von Kontinent zu Kontinent wandert. Uneins sind sie sich dabei vor allem darüber, wer die Malariaerreger nach Amerika verschleppt hat: europäische Eroberer nach Kolumbus, afrikanische Sklaven, oder gar, viel früher, schon die ersten Besiedler des neuen Kontinents?

Antworten könnten im Prinzip Genvergleiche zwischen den heute kursierenden Malariastämmen und älteren Varianten aus aller Welt liefern, wie ähnliche historische Analysen von Seuchen wie zum Beispiel der Pest belegen. Bei der Malaria ist das aber schon deswegen problematisch, weil man über jene einst in Europa kursierenden Malariaerreger sehr wenig weiß, die von den Konquistadoren in die Neue Welt gebracht hätten werden können. Denn sämtliche alten Malariaerregerstämme sind vor wenigen Jahrzehnten in Europa ausgerottet worden: Seitdem gehen alle europäischen Malariafälle auf neue, aus dem Süden mitgebrachte Linien zurück.

Nun jedoch erlaubten ein Glücksfall und die hartnäckige Suche einen Genvergleich des ausgestorbenen, alteuropäischen Malariastamms mit den Verwandten in aller Welt: Ein Team um Pere Gelabert von der Universität Pompeu Fabra in Barcelona stöberte in Katalonien in einer privaten medizinischen Sammlung Objektträger aus den 1940er Jahren auf, die einen Blutabstrich von längst verstorbenen Malariapatienten konserviert hatten. In Spanien – vor allem in Andalusien, aber auch an der Ebromündung – hatte man die einheimischen Malariaherde erst 1964 endgültig gelöscht. Bis dahin übertrugen zwei Anopheles-Mückenspezies sowohl P. vivax wie auch P. falciparum. Und tatsächlich fand sich in den eingetrockneten, fixierten Blutspuren auf den alten Objektträgern noch genug Erbgutmaterial, um die Gensignaturen der alteuropäischen Malariavarianten zu ermitteln.

Um den Stammbaum der Malaria neu zu schreiben, mussten sie nun mit denen aus anderen Teilen der Welt verglichen werden. Dabei erwies sich jetzt die schon vorher plausibelste Spekulation über die Ausbreitung der Tropenkrankheit als weitgehend zutreffend: Tatsächlich ähnelte die europäische P.-vivax-Malaria dem ältesten amerikanischen Stamm des Erregers. Dieser Parasit ist demnach wirklich nach Kolumbus' Zeiten aus Europa in die Neue Welt gelangt. Ohnehin galt als unwahrscheinlich, dass der auf Wärme angewiesene Mückenüberträger des Tropenparasiten bereits die erste Besiedlung Amerikas im Menschen mitgemacht haben könnte, die am Ende der Eiszeit entlang der eisigen Küste oder aus Beringia mitten durch die zurückweichenden Gletscher gelang.

Die einst in Europa zirkulierende P.-falciparum-Variante hat den Trip über den Atlantik dagegen nicht geschafft: Dort gibt es nur andere Varianten, die einst direkt aus Afrika und mit verschleppten Sklaven importiert wurden. Die Ergebnisse bestätigen zudem Vermutungen, wonach die bis zur Neuzeit kursierende, von P. falciparum ausgelöste Malaria tropica in Europa ihren Ursprung hatte. Offenbar ist sie über die Handelswege aus Indien importiert worden, wie die Genvergleiche nahelegen.

Die Forscher möchten nach ihrem gelungenen Projekt nun weitere alte medizinische Sammlungen durchforsten, um die Gendatenbanken über europäische Malaria aufzufrischen. Im nächsten Schritt interessiert sie dabei auch, wie und wann sich Resistenzen gegen Malariamedikamente im Genpool der Erreger niederschlugen. Die alten spanischen Stämme etwa unterscheiden sich in bestimmten Erbgutabschnitten deutlich von moderneren Formen, die gegen das alteingeführte Malariamedikament Chloroquin resistent sind. Diese heute weit verbreitete Resistenz ist erst entstanden, als die europäische Malaria schon ausgerottet war.

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