Direkt zum Inhalt

News: Wohin des Weges?

In unserer Kulturlandschaft ist es mittlerweile ein seltener Anblick geworden: Ein unbegradigter, frei mäandrierender Fluss. Dabei bleiben die Flussschleifen nicht an Ort und Stelle stehen, sondern sie verändern sich ständig, wandern weiter, wachsen oder verschwinden auch wieder. Und diese Dynamik der Mäanderbögen haben zwei Wissenschaftler jetzt mathematisch analysiert.
Den Fluss Büyükmenderes in der Türkei kennen vermutlich die wenigsten. Bei den alten Griechen hieß das Gewässer noch Maiandros – und wurde damit zum Namenspatron für den geschlängelten Verlauf eines Flussbetts. Zum Leidwesen von Generationen von Wasserbauingenieuren neigt jeder Fluss in seiner Aue zur Bildung von Mäanderschleifen, statt zielstrebig auf dem geraden Weg zum Meer zu fließen.

Dies ist zunächst nicht selbstverständlich. Denn das Wasser sollte sich den kürzesten Weg mit einem geradlinigen Flussverlauf suchen. Die Fließgeschwindigkeit innerhalb des Flussbettes ist jedoch nicht gleichmäßig, sondern variiert durch kleine Störungen. An den Stellen mit starker Strömung nagt der Fluss an seinem Bett, während er Sediment in den Bereichen ablagert, in denen er nur träge dahin fließt.

So kommt es zu seitlich auftretenden Erosionen, bei denen ein sich nach außen bewegender Prallhang einer Mänderschleife entstehen kann, während der gegenüberliegende Gleithang durch Sedimentation verlandet und nach innen wandert. Die Mäanderbögen wachsen dadurch an und bewegen sich flussabwärts. Die Flussschleifen werden dabei immer enger, bis der Fluss schließlich durchbricht und die Schleife abschneidet, sodass ein Altwasserarm übrig bleibt.

Durch dieses ständige Werden und Vergehen der Mäanderschleifen verändern die Flüsse ihr Bett normalerweise um weniger als einen Meter pro Jahr. Manche Ströme, wie der Mississippi, schaffen jedoch auch seitliche Verschiebungen von 20 Metern pro Jahr – und sorgen damit bei Brückenbauern für einiges Kopfzerbrechen.

Boyd Edwards von der West Virginia University und Duane Smith vom National Energy Technology Laboratory haben sich jetzt die Dynamik der Flüsse näher angeschaut. Basierend auf klassischen Gleichungen der Hydrodynamik versuchten sie ein mathematisches Modell aufzustellen, mit dem sie das Verhalten eines Flusses vorhersagen können.

Mit Hilfe ihrer Gleichungen konnten die Wissenschaftler erklären, warum manche Mäanderbögen verschwinden und sich wieder auflösen, während andere anwachsen. Bei geringer Krümmung nimmt an der Innenseite durch den höheren Staudruck die Fließgeschwindigkeit zu. Dadurch verstärkt sich hier die Erosion, während der Fluss auf der Außenseite mit der geringeren Fließgeschwindigkeit Sediment ablagert. Durch diese so genannte Bernoulli-Scherung verschwindet die Krümmung wieder.

Übersteigt die Länge des Mäanderbogens einen bestimmten kritischen Wert, dann tritt senkrecht zur Fließrichtung eine seitliche Strömung auf, die Material vom äußeren Prallhang zum inneren Gleithang transportiert. Dadurch vertieft sich das Flussbett am Prallhang, der Stromstrich – der Ort der höchsten Fließgeschwindigkeit – wandert nach außen und führt hier zur Erosion. Der Mäanderbogen wächst.

Mit Hilfe ihrer Gleichungen wollen Edwards und Smith auch die zeitlichen Veränderung eine Flussverlaufs voraussagen. Leider dauern diese Veränderungen jedoch hunderte bis tausende von Jahren, sodass eine Überprüfung schwierig wird. Dennoch wagen die Forscher die Prophezeiung, dass an einer bestimmten Stelle am Beatton River in British Columbia ein Mäanderdurchbruch erfolgen wird – und zwar im Jahre 2219.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.