Wolfsmanagement: Wölfe schießen bringt wenig

Lange wurde er systematisch verfolgt und galt in Mitteleuropa seit dem 19. Jahrhundert als ausgerottet. Doch seit der Jahrtausendwende ist er wieder bei uns heimisch: der Wolf(Canis lupus). Mit der Zunahme seiner Populationen wuchsen allerdings auch die Angriffe auf Weidetiere wie Schafen oder Ziegen, sodass inzwischen die Bejagung des streng geschützten Raubtiers gefordert wird. Der Effekt einer solchen »letalen Entnahme« hält sich jedoch in Grenzen, wie US-amerikanische Wissenschaftler in »Science Advances« berichten. Ihre Studiendaten haben sie allerdings im Nordwesten der USA erhoben, der sehr viel dünner besiedelt ist als beispielsweise Deutschland – unklar bleibt daher, inwiefern die Ergebnisse auf die dichtbesiedelten Gebiete Europas übertragbar sind.
Auch in den Vereinigen Staaten war der Wolf Mitte des 20. Jahrhunderts nahezu komplett verschwunden. In den 1990er Jahren startete die US-Bundesregierung Kampagnen zur Wiederansiedlung wie etwa im Yellowstone-Nationalpark, sodass sich die Bestände langsam erholten. Da die Populationen in den nördlichen Rocky Mountains mittlerweile stark angewachsen sind, mehrten sich die Stimmen vor allem von geschädigten Ranchern, die durch Wolfsrisse ihr Vieh verloren hatten, eine öffentliche Bejagung zu erlauben. Dieser Schritt erfolgte in Montana und Idaho, während in den US-Bundesstaaten Washington und Oregon die Wolfsjagd weiterhin verboten ist. Das ermöglichte der Geografin Leandra Merz von der San Diego State University und ihren Kollegen zu vergleichen, wie sich die Bejagung des Wolfs auf die Viehbestände in den jeweiligen Bundesstaaten auswirkte.
Die Wissenschaftler werteten die in den einzelnen Bezirken der vier Bundesstaaten gesammelten Daten zu Wolfsentnahmen und Viehrissen von 2005 bis 2021 aus. Da bis 2009 in allen Gebieten die Wolfsjagd verboten war, standen den Forschern Kontrolldaten zur Verfügung.
Wie sich dabei herausstellte, verminderte die Bejagung von Wölfen tatsächlich die Verluste an Weidevieh – allerdings nur minimal: Jeder Wolf, der von einem Jäger erlegt wurde, verringerte im Schnitt die Viehrisse um lediglich zwei Prozent. Da jede Verwaltungseinheit (»County«) in den untersuchten Bundesstaaten im Schnitt etwa drei bis vier Nutztiere pro Jahr an Wölfe verliert, entspricht eine solche Verringerung rechnerisch nur 0,07 verhinderten Viehrissen pro erlegtem Wolf pro County. Auch wirkte sich die Freigabe der öffentlichen Wolfsjagd kaum darauf aus, wie viele einzelne, besonders gefährliche Wölfe von staatlichen Stellen abgeschossen werden mussten.
Zäune als empfohlene Abwehrmaßnahme
Die Forscher wiesen darauf hin, dass die Verlustraten durch Wolfsrisse stark schwanken können. So habe ein Rancher in Idaho in einer einzigen Nacht 65 Schafe verloren. Selbst bei niedrigeren Werten könnten Wolfsattacken fatale wirtschaftliche und auch psychologische Folgen für die betroffenen Landwirte nach sich ziehen. Doch sinnvoller als eine allgemeine Bejagung sind nach Ansicht der Forscher Herdenschutzmaßnahmen wie beispielsweise Zäune.
Andererseits wirkt sich der Wolf positiv auf das Ökosystem aus: Seitdem es im Yellowstone-Nationalpark wieder Wölfe gibt, sprießen dort wieder junge Bäume, da das Raubtier Hirsche und andere Pflanzenfresser kurzhält.
In der Europäischen Union ist der Schutzstatus des Wolfs von »streng geschützt« auf »geschützt« heruntergestuft worden. Das bedeutet, dass die Mitgliedsstaaten »flexible Maßnahmen« ergreifen dürfen, um die Bestände zu managen. Für diese Lockerung hat sich auch die deutsche Bundesregierung eingesetzt. Bislang dürfen nur einzelne Tiere, die sich als besonders gefährlich erwiesen haben, abgeschossen werden. Der vorsätzliche Abschuss eines Wolfs gilt als Straftat. Für das Jahr 2024 schätzte das Bundesamt für Naturschutz den Wolfsbestand in Deutschland auf etwa 1600 Tiere, die in 209 Rudeln leben.

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