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Südpol: Wurde Eiszuwachs in der Antarktis überschätzt?

Die Arktis schmilzt, die Antarktis wächst - so schien der Trend der letzten Jahre. Doch nun werden Zweifel an den Daten vom Südpol laut.
Eisberg

Im Gegensatz zur Arktis, wo die durchschnittliche Meereisbedeckung seit Jahren rasant schmilzt, nimmt die Eisfläche rund um den Südpol ebenfalls seit Längerem zu: Das als antarktisches Paradox bekannt gewordene Phänomen sorgte dafür, dass 2013 ein seit Beginn der modernen Aufzeichnungen in den 1970er Jahren nicht beobachteter Höchstwert auftrat – trotz des globalen Klimawandels. Genau diesen starken Zuwachs um mehrere hunderttausend Quadratkilometer zweifeln Geowissenschaftler um Ian Eisenmann von der University of California in San Diego nun jedoch an. Stattdessen handle es sich vielmehr um ein Datenartefakt, das durch eine fehlerhafte Verarbeitung der Satellitenmessung entstanden sei, so die Forscher im Fachmagazin "The Cryosphere".

Aufmerksam wurden Eisenmann und Co durch einen Vergleich der Daten aus den Berichten des Weltklimarats IPCC der Jahre 2007 und 2013: Während im älteren Report die Eisbedeckung im Meer rund um die Antarktis zwischen 1979 und 2005 stabil blieb, zeigte sie zwischen 1979 und 2012 in der jüngeren Version eine mittlere jährliche Zunahme um 16 500 Quadratkilometer. Viele Glaziologen führten diesen Trend auf den verlängerten Beobachtungszeitraum zurück, in dem die Hauptvermehrung stattgefunden haben soll. "Als wir aber einen Blick darauf warfen, wie die Zahlen weitergegeben wurden, bekamen wir Zweifel", so Eisenmann.

Kaum Beobachtungen direkt vor Ort

Wegen der extremen Bedingungen in der Antarktis müssen sich die Forscher auf Satellitenbeobachtungen verlassen. Allerdings stammen die Messreihen nicht von einem einzigen Messinstrument einer einzigen Sonde, die während des gesamten Zeitraums den Südpol überwachte. Stattdessen müssen die Wissenschaftler verschiedene Daten der einzelnen Missionen zusammenführen und verrechnen, was über einen bestimmten Algorithmus geschieht. Doch hier unterlief ihnen offensichtlich ein Fehler, denn 2007 wurde der Algorithmus überarbeitet, so dass die beiden Datensätze 2007 und 2013 nicht mehr die exakt gleiche Bearbeitung erfuhren. Zudem wechselte 1991 die Erhebungsmethode durch den Austausch verschiedener Satellitensensoren, deren unterschiedliche Gewichtungen durch die veränderten Algorithmen nicht mehr ausgeglichen wurden. Deshalb kam es zu einem plötzlichen Sprung in der Eiszunahme der Antarktis seit Beginn der 1990er Jahre, der im späteren IPCC-Bericht auftauchte und seither den Trend nach oben bestimmt.

Ob sich damit aber das antarktische Paradox tatsächlich als Rechenfehler entpuppt und die Eisfläche vor allem stabil bleibt, ist jedoch nicht abschließend geklärt. Eisenmann und Co selbst wissen momentan noch nicht, ob ihre Rekalibrierung der Daten einen Fehler im alten oder im neuen Datensatz aufgedeckt hat. Studien zu den physikalischen Grundlagen der tatsächlichen oder vermeintlichen Eiszunahme legen nahe, dass es sich dabei wirklich um ein Artefakt handelt – doch klären können dies wohl nur Beobachtungen vor Ort.

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