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Kosmologie: Wurmlöcher im Labor

Zwei Schwarze Löcher, die durch ein Wurmloch miteinander verbunden sind, könnten eines der größten Rätsel der Kosmologie lösen. Nun haben Physiker eine Möglichkeit vorgeschlagen, ein solches Szenario im Labor umzusetzen – ganz ohne Schwarze Löcher, aber mit ultrakalten Atomen.
Künstlerische Darstellung eines Wurmlochs

Manche physikalische Theorien klingen mehr nach Sciencefiction als nach der Wirklichkeit. Ein Beispiel dafür ist ein Szenario, bei dem zwei Schwarze Löcher durch die Gesetze der Quantenmechanik miteinander verbunden sind. Das bedeutet, dass alles, was mit einem der beiden kollabierten Sterne geschieht, augenblicklich den anderen beeinflusst – unabhängig davon, wie weit sie voneinander entfernt sind. Sollte eine solche Verbindung tatsächlich existieren, könnte das eines der größten Rätsel der Kosmologie lösen.

Dringt Information in ein Schwarzes Loch ein, beispielsweise indem ein Quantenteilchen hineinfällt, wird sie extrem schnell bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. Dieser Umstand bereitet Wissenschaftlern seit Jahrzehnten Bauchschmerzen. Denn eigentlich besagen die Gesetze der Quantenmechanik, dass Information, genauso wie Energie, nicht vernichtet werden kann.

Einige Forscher haben einen Ausweg vorgeschlagen: Die Information über ein Quantenteilchen könnte nach gewisser Zeit aus einem anderen Schwarzen Loch entweichen, das mit dem ersten verbunden ist. In diesem Fall wirkt es, als sei das Teilchen über eine Abkürzung durch die Raumzeit gereist. Die quantenmechanische Verbindung zwischen den kollabierten Sternen entspricht dann einem Wurmloch.

Natürlich ist ein solches Ereignis bisher reine Spekulation. Die heutige Technologie ist weit davon entfernt, derartige Phänomene nachweisen zu können. Doch Physiker um Sepehr Nezami von der Stanford University haben nun einen Vorschlag ausgearbeitet, um die geschilderten Prozesse tatsächlich experimentell zu beobachten. Dabei müsste man nicht mit echten Schwarzen Löchern hantieren. Die Forscher behaupten, dass man bloß einige Ionen und Laser benötigt. Sollte sich ihre Vorhersage bestätigen, könnten sie damit eine der grundlegendsten Fragen der Kosmologie beantworten, nämlich ob Schwarze Löcher Informationen wirklich unwiederbringlich zerstören.

Aus der Quantenmechanik folgt, dass die gesamte Menge an Information im Universum immer gleich bleibt. Schwarze Löcher werden allerdings durch die allgemeine Relativitätstheorie beschrieben und folgen daher anderen Gesetzmäßigkeiten. Sie entstehen aus massereichen Sternen, die unter dem Einfluss ihrer Schwerkraft kollabieren, so dass sie dann nur noch einen winzigen Bereich im Raum ausfüllen. Passiert ein Teilchen oder Licht den so genannten Ereignishorizont (siehe Glossar) eines Schwarzen Lochs, kann es nie wieder entkommen – die Information, die es getragen hat, scheint damit auch für immer verschwunden.

Gequantelte Raumzeit

Veröffentlicht am: 22.07.2020

Laufzeit: 0:03:38

Sprache: deutsch

Hyperraum TV ist ein von der Medienwissenschaftlerin und Wissenschaftshistorikerin Susanne Päch betriebener Spartensender für Wissenschaft und Technologie.

Auf der Suche nach der verschwundenen Information

Dieser scheinbare Widerspruch entsteht, weil es bislang keine Theorie gibt, die den Mikro- mit dem Makrokosmos vereint. Die Gesetze der Schwerkraft auf großen Skalen basieren auf der allgemeinen Relativitätstheorie, während die Quantenmechanik das Verhalten von kleinsten Teilchen erklärt. Seit über 100 Jahren versuchen Forscher, beide Theorien zu verbinden, doch bislang sind sie gescheitert.

In den 1970er Jahren widmete sich der britische Physiker Stephen Hawking dem Problem der verschwindenden Information in Schwarzen Löchern. Indem er die Gesetze der Thermodynamik und der Quantenmechanik auf eine gekrümmte Raumzeit anwendete, wie sie die allgemeine Relativitätstheorie für Schwarze Löcher vorgibt, erzielte er erstaunliche Ergebnisse: Seinen Berechnungen zufolge müssten die galaktischen Monster Strahlung abgeben – und damit langsam verdampfen.

Hawking nahm dabei an, dass ein Schwarzes Loch von einem Vakuum umgeben ist. Das heißt allerdings nicht, dass der Raum gänzlich leer ist (siehe »Spektrum« Dezember 2019, S. 12). In Wirklichkeit entstehen ständig Teilchen-Antiteilchen-Paare, die sich innerhalb kürzester Zeit wieder vernichten. Wegen der großen Gravitationsenergie eines Schwarzen Lochs gibt es dort besonders viele solcher kurzlebigen Paare. Das führt zu einem seltsamen Effekt: Wenn sich Teilchen und Antiteilchen in der Nähe des Ereignishorizonts bilden, kann es sein, dass ein Partikel den Horizont passiert – und damit für immer verschwindet –, während der dazugehörige Partner entkommt. Irgendwann stößt dieser mit einem verlassen Antiteilchen zusammen, wodurch die beiden sich vernichten und ein Photon erzeugen, was zur so genannten Hawking-Strahlung führt.

Das hat bedeutende Folgen für das Schwarze Loch: Weil es Energie in Form von Photonen abstrahlt und Energie nicht aus dem Nichts entstehen kann, muss der kollabierte Stern an Masse verlieren. Mit der heutigen Technologie lässt sich das nicht nachweisen, doch das Phänomen ist unter Physikern akzeptiert. Auch wenn Hawkings Arbeit die moderne Kosmologie erheblich geprägt hat, löst sie nicht das ursprüngliche Problem. Das Schwarze Loch strahlt zwar Photonen aus, aber diese enthalten in der Darstellung keinerlei Informationen über die hineingefallenen Teilchen. Sobald es vollständig verdampft ist, wären damit die darin befindlichen Informationen ebenfalls für immer verloren.

1997 fand der argentinische Physiker Juan Maldacena eine mögliche Lösung. Er postulierte die so genannte AdS/CFT-Korrespondenz, aus der zum Beispiel folgt, dass die Hawking-Strahlung Informationen über das Innere des Schwarzen Lochs enthält.

Die AdS/CFT-Korrespondenz gilt als eine der vielversprechendsten Richtungen der Stringtheorie – ein Ansatz, der die Quantenmechanik mit der Gravitation vereinen soll. Stringtheoretiker gehen davon aus, dass kleinste Fäden (englisch: Strings) durch ihre Schwingungen alle bekannten Elementarteilchen und Grundkräfte erzeugen. Die Theorie ist äußerst kompliziert und steckt seit Jahren in der Klemme: Unter anderem sagt sie etliche Teilchen vorher, die bislang nicht beobachtet wurden. Als Maldacena die AdS/CFT-Korrespondenz entwickelte, wirkte sie wie ein Hoffnungsschimmer. Sie besagt, dass bestimmte Modelle der Raumzeit mit Quantensystemen zusammenhängen.

Sollte eine solche Verbindung tatsächlich existieren, wäre das für Physiker extrem nützlich. Möchte man zum Beispiel gewisse Eigenschaften eines komplizierten quantenmechanischen Prozesses vorhersagen, könnte man stattdessen eine – unter Umständen einfachere – kosmologische Berechnung durchführen und die Ergebnisse anschließend gemäß der AdS/CFT-Korrespondenz zurück in die Quantenwelt übertragen.

Die AdS/CFT-Korrespondenz ist wie ein Wörterbuch, das kosmologische Prozesse in Quantenphänomene übersetzt und umgekehrt. Nimmt man die Verbindung ernst, folgt daraus, dass die völlig verschiedenen physikalischen Systeme zwei Seiten einer Medaille sind. Auf der einen ist eine Raumzeit mit einer bestimmten Art von Krümmung, die als Anti-de-Sitter-Raum bekannt ist. Das ist der AdS-Teil der Korrespondenz. Auf der anderen Seite hat man eine so genannte konforme Quantenfeldtheorie (englisch: conformal field theory, CFT), die in einer Dimension weniger auftritt als die Raumzeit. Das heißt: Die mathematische Beschreibung eines Anti-de-Sitter-Raums in d Dimensionen ist gleich der einer konformen Feldtheorie in d–1 Dimensionen.

Anti-de-Sitter-Universum

Albert Einstein erschütterte 1915 unser Verständnis des Universums, als er seine allgemeine Relativitätstheorie veröffentlichte. Wie er herausarbeitete, sind Zeit und Raum nicht statisch, sondern verändern ihre Form: Energie krümmt die Raumzeit.

Anfangs versuchten Physiker, Einsteins Gleichungen in vereinfachter Form zu lösen, indem sie leere Universen ohne Materie untersuchten, die überall gleich gekrümmt sind. Für einen solchen Fall erlaubt die allgemeine Relativitätstheorie drei mögliche Formen der Raumzeit: Sie ist entweder flach (Minkowski-Raum), positiv gekrümmt wie eine Kugeloberfläche (de-Sitter-Raum) oder negativ gekrümmt wie ein Sattel (Anti-de-Sitter-Raum, kurz: AdS) – mit dem Unterschied, dass das Universum dabei keine zweidimensionale Oberfläche ist, sondern das vierdimensionale Gegenstück zu den genannten Beispielen bildet.

Während Physiker sich fragten, welche der drei Lösungen unseren Kosmos am besten beschreibt, versuchten Mathematiker herauszufinden, ob die Lösungen überhaupt stabil sind. Das heißt: Wenn man eine winzige Masse in ein Universum einfügt, behält die Raumzeit ihre Form weitestgehend bei oder entsteht ein Schwarzes Loch, das sie vollkommen verzerrt?

Sobald in einem leeren Universum ein massehaltiges Objekt – etwa ein Teilchen – entsteht, bilden sich Gravitationswellen, die sich durch die Raumzeit ausbreiten. Ähnlich wie Wellen in einem Gewässer können sie mit der Zeit schwächer werden und versanden; das geschieht bei einer stabilen Lösung wie in unserem Universum. Oder sie könnten sich im instabilen Fall zu einer Art Tsunami aufschaukeln, wodurch ein Schwarzes Loch entstünde.

Der Physiker Helmut Friedrich vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Potsdam bewies 1986, dass der positiv gekrümmte de-Sitter-Raum stabil ist. Geringe Mengen Materie beeinflussen diese Art der Raumzeit zwar, verändern sie aber nicht maßgeblich. Sieben Jahre später folgte eine Veröffentlichung von den Mathematikern Demetrios Christodoulou und Sergiu Klainerman, in der sie zeigten, dass auch der flache Minkowski-Raum seine grobe Form beibehält, wenn man kleine Massen hinzufügt. Wie es sich mit dem Anti-de-Sitter-Raum verhält, blieb jedoch lange Zeit ein Rätsel.

Erst kürzlich konnte der Mathematiker Georgios Moschidis beweisen, was zahlreiche Physiker bereits ahnten: Ein Anti-de-Sitter-Universum ist nicht stabil. Sobald auch nur das kleinste bisschen Masse auftaucht, bilden sich Schwarze Löcher.

Für die AdS/CFT-Korrespondenz, einen viel versprechenden Bereich der Stringtheorie, der Anti-de-Sitter-Universen mit Quantensystemen (konforme Feldtheorien, CFT) verbindet, stellt das kein Problem dar. Tatsächlich braucht man in der Korrespondenz Schwarze Löcher auf der AdS-Seite, um überhaupt ein quantenphysikalisches Analogon zu finden. Die Arbeit von Moschidis legt nahe, dass Schwarze Löcher im AdS-Universum schneller entstehen als bisher gedacht.

Zudem war Physikern ohnehin schon klar, dass AdS-Universen nicht unserer eigenen Raumzeit entsprechen. Dennoch könnte die Korrespondenz helfen, kosmologische Rätsel in einem neuen Licht zu betrachten und vielleicht sogar zu beantworten. Häufig ist es hilfreich, Probleme in einer simpleren Umgebung zu untersuchen und dann zu überlegen, wie man sie in einem realistischeren Kontext lösen könnte.

Anti-de-Sitter-Universum | Ein leerer Kosmos ist entweder positiv (oben) oder negativ (Mitte) gekrümmt oder aber flach (unten).

Die seltsame Verbindung funktioniert wie ein Hologramm – alle Informationen eines Kosmos sind in Quantensystemen in einer niedrigeren Dimension enthalten. Dieses so genannte holografische Prinzip schlug der Physik-Nobelpreisträger Gerardus `t Hooft 1993 erstmals vor. Maldacenas Arbeit lieferte vier Jahre später das erste konkrete Beispiel dafür.

Dabei entspricht der kontinuierliche Raum im AdS-Universum zahlreichen verschränkten Qubits (siehe Glossar) auf der CFT-Seite, die unentwegt miteinander wechselwirken. Einige Physiker sehen das holografische Prinzip als mathematisches Werkzeug, das Berechnungen vereinfacht. Manche gehen allerdings weiter und folgern, dass verschränkte quantenmechanische Systeme tatsächlich eine Raumzeit mit Gravitation erzeugen. Das würde bedeuten, dass Schwerkraft aus Quanteneffekten besteht.

Bisher sind aber sowohl das holografische Prinzip als auch die AdS/CFT-Korrespondenz nur Vermutungen. Maldacena hat in seiner Arbeit gezeigt, dass einige Eigenschaften von Quantensystemen ein kosmologisches Analogon besitzen. Von einem vollständigen Wörterbuch, das jedem Phänomen auf der einen Seite eine entsprechende Variante auf der anderen zuweist, ist man noch weit entfernt. Zudem unterscheidet sich unsere Raumzeit stark von einem AdS-Universum (siehe »Anti-de-Sitter-Universum«).

Information tritt blitzartig aus Schwarzen Löchern wieder aus

Dennoch fasziniert der mysteriöse Zusammenhang viele Physiker. Denn unter anderem könnte es das Informationsparadoxon Schwarzer Löcher lösen. Dazu muss man das Szenario eines Teilchens, das in ein Schwarzes Loch fällt, auf die CFT-Seite übersetzen. Im quantenphysikalischen Bild geht die Information nicht verloren. Das war zunächst keine große Überraschung, schließlich besagt die Quantenmechanik ja, dass Information erhalten bleibt. Indem Physiker das entsprechende Quantensystem aber genauer studierten und anschließend wieder auf die AdS-Seite übertrugen, konnten sie nachverfolgen, was mit der Information passiert: Sie wird in die Hawking-Strahlung kodiert. Sollte die Korrespondenz richtig sein, wäre Information damit nicht unwiderruflich verloren, sondern würde langsam aus dem Schwarzen Loch entweichen.

Allerdings ließe sie sich in der Praxis kaum wiederherstellen. Wie Hawking herausfand, müsste man jedes einzelne Photon einfangen, das ein Schwarzes Loch während seiner gesamten Lebensdauer ausstrahlt. »Falls es irgendwie gelingen würde, alle Hawking-Strahlen zu sammeln, dann existiert im Prinzip eine Berechnung, mit der man die verschluckten Informationen extrahieren könnte«, sagt Norman Yao von der University of California in Berkeley. Doch wie eine solche Berechnung konkret aussieht, ist unklar.

Eine weitere Schwierigkeit ist, dass Schwarze Löcher gemäß der Theorie nicht von Anfang an Informationen aussenden, sondern erst, wenn sie zur Hälfte verdampft sind. Grund dafür sind die Teilchen-Antiteilchen-Paare, aus denen die Hawking-Strahlung entsteht. Die Paare sind nämlich miteinander verschränkt, so dass zwischen dem Schwarzen Loch, in das eines der Teilchen hineinfällt, und den ausgesandten Photonen eine quantenmechanische Verbindung besteht.

Kurz nach seiner Entstehung ist nur ein kleiner Bereich des Schwarzen Lochs mit der Hawking-Strahlung verschränkt. Der Bereich wächst im Lauf der Zeit immer weiter an, bis der kollabierte Stern zur Hälfte verdampft ist. Von da an ist das gesamte Schwarze Loch mit der ausgesandten Strahlung verbunden. Die Photonen enthalten daher Informationen über das Innere des galaktischen Ungetüms. Allerdings verdampfen Schwarze Löcher nur sehr langsam– ein Exemplar von der Masse der Sonne überlebt etwa 1067 Jahre.

»Sobald ein Schwarzes Loch zur Hälfte verdampft ist, prallt jede weitere Information wie bei einem Spiegel sofort wieder zurück«
Norman Yao

Bis 2007 gingen Physiker davon aus, dass die verschluckte Information nach der Halbwertszeit mit gleichbleibender Geschwindigkeit heraussickert. Patrick Hayden von der Stanford University und John Preskill vom California Institute of Technology widerlegten diese Vorstellung jedoch. Sie konnten zeigen, dass die Information nicht gleichmäßig, sondern extrem schnell entweichen würde. »Sobald ein Schwarzes Loch zur Hälfte verdampft ist, prallt jede weitere Information wie bei einem Spiegel sofort wieder zurück«, so Yao.

Hayden und Preskill kamen zu ihrem Ergebnis, als sie auf eine Gemeinsamkeit von Schwarzen Löchern und bestimmten Quantensystemen stießen. Denn die galaktischen Monster verhalten sich wie ein äußerst effizientes Verschlüsselungssystem (siehe Glossar): Sobald ein Teilchen den Ereignishorizont passiert, werden seine Eigenschaften wie Masse, Ladung, Impuls und so weiter schlagartig mit denen aller anderen darin gefangenen Materie vermischt. Dieser Effekt ähnelt der Art und Weise, wie sich Wärme in einem System über die Zeit gleichmäßig verteilt, wenn es zum Gleichgewicht kommt – nur dass er viel schneller vonstattengeht. Dadurch erscheint es von außen betrachtet unmöglich, jemals wieder an die Informationen heranzukommen. »Es ist wie bei einem Kartenspiel«, sagt der Physiker Adam Brown von der Stanford University. »Man geht davon aus, dass es gemischt ist, sobald sich kein offensichtliches Muster mehr in der Reihenfolge der Karten erkennen lässt. Das heißt allerdings nicht, dass die Karten wirklich vollkommen zufällig angeordnet sind.«

Nahezu jedes Vielteilchen-Quantensystem wird irgendwann durcheinandergeraten, Physiker bezeichnen dieses Phänomen als Quantenverschlüsselung. Eine der wichtigsten Eigenschaften des Prozesses ist, dass er umkehrbar ist: Es ist prinzipiell möglich, die Information in einem durchmischten Quantensystem wiederherzustellen.

Wie lange es dauert, bis ein System verschlüsselt ist, hängt davon ab, wie die darin enthaltenen Teilchen miteinander wechselwirken. Um die Verschlüsselungsrate zu bestimmen, nutzen Wissenschaftler einen so genannten Hamilton-Operator, aus dem sich die wichtigsten physikalischen Eigenschaften eines Systems berechnen lassen. Schwarze Löcher stechen dabei heraus: Aus ihrem Hamilton-Operator folgt, dass sie Quanteninformationen schnellstmöglich verschlüsseln (»Spektrum« Juni 2019, S. 24).

Das führte Hayden und Preskill zu ihrer Schlussfolgerung. Fällt ein Teilchen in ein Schwarzes Loch, wird die dazugehörige Information nahezu instantan mit der darin befindlichen vermischt. Die daraufhin austretende Hawking-Strahlung ist daher fast augenblicklich mit dem neuen Zustand des Schwarzen Lochs verschränkt, wodurch sie die neue Information ebenfalls enthält.

Sollte die AdS/CFT-Korrespondenz also zutreffen, liefern die Ergebnisse der Physiker eine Lösung des Informationsparadoxons. Um an die Information eines Teilchens zu gelangen, das einen Ereignishorizont passiert hat, müsste man aber warten, bis es halb verdampft ist – eine Zeitspanne, die das bisherige Alter unseres Universums weit übersteigt.

Verschränkte Schwarze Löcher

Deswegen gaben sich einige Wissenschaftler nicht mit der Lösung zufrieden. Sie suchten nach einer anderen Möglichkeit, um an die verschluckte Information heranzukommen – und wurden fündig. Ping Gao und Daniel Jafferis von der Harvard University fragten sich 2016 zusammen mit Aron Wall vom Institute for Advanced Study, was passieren würde, falls ein Schwarzes Loch mit etwas anderem als der Hawking-Strahlung verschränkt wäre, beispielsweise mit einem zweiten Schwarzen Loch. Ihren Berechnungen zufolge ließe sich dadurch die Information, die in den ersten kollabierten Stern fällt, aus dem zweiten herauslesen. Denn wenn die gesamte Materie der galaktischen Monster miteinander verschränkt ist, würde den Forschern zufolge ein vom ersten Schwarzen Loch verschlucktes Qubit praktisch sofort im zweiten registriert werden.

Als Gao und seine Kollegen den hypothetischen Prozess genauer untersuchten, fiel ihnen auf, dass er unter bestimmten Umständen einer Teleportation gleicht. Bereits 1997 gelang es Physikern erstmals, ein Teilchen erfolgreich im Labor zu teleportieren. Dafür nutzten sie die Eigenschaften der Verschränkung aus: Sie erzeugten zwei verschränkte Teilchen und übertrugen den Quantenzustand des ersten auf das zweite. Dieses ist danach nicht mehr vom ursprünglichen ersten Teilchen zu unterscheiden. Ein solches Ereignis ist identisch zu jenem, bei dem das erste Partikel an einem Ort zerstört wird und augenblicklich an einer unterschiedlichen Stelle auftaucht – einer Teleportation.

Fällt ein Teilchen in ein Schwarzes Loch, das mit einem anderen verschränkt ist, wird es schnellstmöglich in den zweiten kollabierten Stern teleportiert. Das liegt daran, dass die Information im ersten Schwarzen Loch mit maximaler Geschwindigkeit von allen darin befindlichen Teilchen geteilt wird. Weil das Schwarze Loch aber an das zweite gekoppelt ist, erhält Letzteres fast augenblicklich die gesamten Informationen über das verschluckte Teilchen.

So interpretieren Quanteninformationstheoretiker den Prozess. Nimmt man allerdings die AdS/CFT-Korrespondenz ernst, dann entspricht der Kanal zwischen den verschränkten kollabierten Sternen einem Wurmloch. In dieser Sicht reisen die Qubits durch eine Abkürzung in der Raumzeit.

Quantenmechanischer Schaltkreis aus verschränkten, ultrakalten Ionen

Obwohl Wurmlöcher mit der allgemeinen Relativitätstheorie konsistent sind, ging man bisher davon aus, dass sie nicht durchquerbar wären: Falls sie wirklich existieren, ließe sich nichts durch sie hindurchschicken. In ihrer Arbeit konnten Gao, Jafferis und Wall aber zeigen, dass die AdS/CFT-Korrespondenz passierbare Wurmlöcher erlaubt.

Sollte die Korrespondenz richtig sein, braucht man nicht direkt mit verschränkten Schwarzen Löchern im AdS-Bild zu hantieren. Stattdessen können Forscher Quantensysteme auf der CFT-Seite nutzen, die völlig gleichwertig sind. Nezami und Brown haben nun unter anderem mit dem renommierten Stringtheoretiker Leonard Susskind von der Stanford University eine Möglichkeit ausgearbeitet, um ein solches Experiment umzusetzen.

Dafür haben sie ein Quantensystem gesucht, dessen Hamilton-Operator dem eines Schwarzen Lochs entspricht, in das ein Qubit an Information fällt. Weil kollabierte Sterne Informationen schnellstmöglich durchmischen, müsste man ein vergleichbares Quantenverschlüsselungssystem im Labor schaffen.

Tatsächlich haben Physiker Anfang 2019 eine solche Durchmischung von Qubits im Labor nachgewiesen. Auf einen Vorschlag von Yao und seinem Kollegen Beni Yoshida hin schufen Christopher Monroe in Maryland und sein Team einen quantenmechanischen Schaltkreis aus verschränkten, ultrakalten Ionen. Die Forscher hielten die Teilchen mittels elektromagnetischer Fallen gefangen, so dass die Ionen in einer Reihe angeordnet waren.

Eine der größten Herausforderungen des Versuchs war es, die Quantenverschlüsselung von anderen Prozessen zu unterscheiden. Weil es unmöglich ist, ein System vollkommen von der äußeren Umgebung abzuschotten, tritt in Experimenten mit mikroskopischen Teilchen beispielsweise immer Dekohärenz ein. Dieser Effekt entsteht – wie die Verschlüsselung auch –, wenn Teilchen miteinander wechselwirken. Im Fall der Dekohärenz interagieren die Teilchen mit Partikeln aus der Umgebung, wodurch die Information des Quantensystems langsam entweicht und dadurch unwiederbringlich verloren geht.

Das ist der große Unterschied zwischen Dekohärenz und Verschlüsselung: Letztere kann rückgängig gemacht werden. In der Praxis lässt sich Dekohärenz niemals vollständig vermeiden, was sie zum Schreckensgespenst von Quantencomputern macht. Um sicherzustellen, dass die gelieferten Ergebnisse korrekt sind, muss daher jede Berechnung abgeschlossen sein, bevor das Phänomen einsetzt.

Ultrakalte Quantensysteme als Wurmlöcher

Normalerweise beginnt ein Quantensystem mit seiner Umgebung zu wechselwirken, bevor die Verschlüsselung eintreten kann. Das macht es so schwer, Letztere innerhalb eines Systems nachzuweisen. Doch Monroes Team fand heraus, dass sich beide Effekte durch die Quantenteleportation voneinander unterscheiden lassen.

Dafür nutzten die Forscher einen Schaltkreis aus sieben verschränkten Ytterbium-Ionen, die in einer Reihe angeordnet waren. Sie spalteten das System in zwei Teile mit je drei Ionen auf; das übrig gebliebene Teilchen nutzten sie später für die Teleportation. Indem sie beide Teilsysteme gezielt auf verschiedene Art störten, durchmischten sie die darin enthaltene Information. Nun mussten sie nur noch nachweisen, dass die Quantenzustände der Teilsysteme auch wirklich verschlüsselt sind – und sie nicht etwa Dekohärenz hervorgerufen hatten.

Dazu teleportierten sie das übrig gebliebene Teilchen von einem Ende der Ionenreihe an das andere und wieder zurück. Zu Beginn des Versuchs waren alle Teilchenzustände miteinander verschränkt, zu jener Zeit war eine Teleportation also möglich. Die Störung hat allerdings die Zustände vermischt – hätte Dekohärenz eingesetzt, wäre daher ein Teil der Information verschwunden. In diesem Fall könnte man das Teilchen also nicht teleportieren. Ist die Information dagegen noch im System vorhanden, nur eben stark vermischt, kann der Vorgang allerdings gelingen, da alle Zustände miteinander verschränkt sind. Tatsächlich gelang es den Forschern, das Ytterbium-Ion in 80 Prozent der Fälle erfolgreich zu teleportieren. Dadurch konnten sie erstmals eine Quantenverschlüsselung experimentell nachweisen.

»Um ein realistisches Universum zu simulieren, das von Einsteins Gleichungen regiert wird, braucht man Systeme, die sehr schwer im Labor herzustellen sind«
Juan Maldacena

Brown und sein Team schlagen nun vor, dass man ähnliche quantenmechanische Schaltkreise nutzen könnte, um ein passierbares Wurmloch nachzustellen, das ein Qubit von einem Schwarzen Loch in ein anderes teleportiert. Dabei würden die Schwarzen Löcher aus verschränkten Ionen bestehen. Anschließend müsste man ein Qubit in eines der Systeme einführen, das dieses verschlüsselt. Nach einer gewissen Zeitspanne würde die Information im zweiten Quantensystem wieder unverschlüsselt auftauchen. Dass das Qubit über die Systeme hinweg übertragen wird, ist dabei nicht wirklich überraschend – schließlich sind die Ionen miteinander gekoppelt. Erstaunlich ist dagegen, dass man die Information im zweiten System nicht entschlüsseln muss, obwohl das erste Schwarze Loch sie vollständig durchmischt hatte.

Als der theoretische Physiker Brian Swingle von der University of Maryland im Oktober 2019 mit seinem Kollegen Monroe über ein solches Experiment sprach, erkannte Letzterer, dass der dafür benötigte Aufbau mehr oder weniger jenem entsprach, den er mit seinem Team für den Nachweis der Quantenverschlüsselung verwendet hatte. Damit ließe sich der von Swingle geschilderte Versuch durchaus realisieren.

So beeindruckend ein solches Experiment wäre, könnten es derzeit jedoch nicht die Raumzeit unseres Universums nachahmen. Stattdessen würden die Quantensysteme einem vereinfachten Modell des Kosmos entsprechen, nämlich einem Anti-de-Sitter-Raum. »Um ein realistisches Universum zu simulieren, das von Einsteins Gleichungen regiert wird, braucht man Systeme, die sehr schwer im Labor herzustellen sind«, sagt Maldacena.

Sollten die Ergebnisse des vorgeschlagenen Experiments die Vorhersagen der Forscher bestätigen, folgt daraus nicht unbedingt, dass die AdS/CFT-Korrespondenz korrekt ist. Denn ein solcher Versuch lässt sich genauso gut aus rein quantenphysikalischer Sicht betrachten – man muss nicht zwingend das holografische Prinzip nutzen, um den Ausgang des Experiments vorherzusagen. Dennoch lassen sich einige der vorhergesagten Phänomene einfacher durch die Korrespondenz beschreiben, zum Beispiel die Teleportation eines Teilchens, als eine Passage durch ein Wurmloch. »Während man das alles mit der Schrödingergleichung herleiten könnte, gibt es eine viel simplere Erklärung, die sich auf Schwarze Löcher beruft«, so Brown.

Dass die kollabierten Sterne tatsächlich mit einer Hand voll gekühlter Ionen zusammenhängen, ist kaum zu glauben. Sollte sich die AdS/CFT-Korrespondenz jedoch als richtig erweisen, dann wären die Quantensysteme mehr als das Analogon eines Schwarzen Lochs – sie wären völlig gleichwertig.

Glossar

Mikroskopische Teilchen können miteinander verschränkt sein. Das bedeutet, dass der Zustand des einen unmittelbar von dem des anderen abhängt. Dadurch beeinflussen sich verschränkte Systeme fast augenblicklich.

Der Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs entspricht einer Distanz, ab der ein Objekt dem kollabierten Stern nicht mehr entkommen kann. Selbst masselose Photonen werden an diesem Punkt unwiederbringlich in das Schwarze Loch hineingesaugt.

Wenn Information – beispielsweise in Form eines Qubits – in ein Schwarzes Loch fällt, wird sie verschlüsselt: Eigenschaften wie Masse, Energie oder Ladung vermischen sich so stark mit denen der übrigen Materie, dass es unmöglich erscheint, jemals wieder an die Information heranzukommen.

Dekohärenz tritt auf, wenn ein Quantensystem mit seiner Umgebung wechselwirkt. Der ursprüngliche Zustand des Systems verändert sich dadurch, und die darin anfangs enthaltene Information geht unwiederbringlich verloren.

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  • Quellen

Brown, A. R. et al.: Quantum gravity in the lab: Teleportation by size and traversable wormholes. ArXiv 1911.06314, 2019

Gao, P. et al.: Traversable wormholes via a double trace deformation. Journal of High Energy Physics 151, 2017

Landsman, K. A. et al.: Verified quantum information scrambling. Nature 567, 2019

Yoshida, B., Yao, N. Y.: Disentangling scrambling and decoherence via quantum teleportation. Physical Review X 9, 2019

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