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News: Yettie statt Yuppie

Mit dem Schneemenschen Yeti hat der Yettie nicht das Geringste zu tun, er ist eine ganz reale Erscheinung im Zeitalter der New Economy. Wie schon der Yuppie kommt auch diese Bezeichnung aus den USA. Doch was verbirgt sich dahinter? Ein neuer Menschenschlag, der für seine Arbeit in der Informations-Technologie lebt und Riesenspaß daran hat.
Young, entrepreneurial und tech-based – jung, unternehmerisch und auf Technik basierend – kurz Yettie. Sie sind die Nachfolger der Yuppies aus den 80er Jahren, sollen aber erheblich liebenswerter sein. Sie können nicht nur bei Computer-Abstürzen helfen, sondern auch bei allen anderen technischen Alpträumen. Auf Äußerlichkeiten legen sie keinen großen Wert, Anzug und Krawatte oder Kostüm mit Minirock tragen sie eher selten. Aber der Yettie ist auch ein Arbeitstier, schuftet freiwillig auch nachts und am Wochenende. "Er ist ein Kind der New Economy und definiert sich über seine Beschäftigung in der IT-Branche", sagt Betty Siegel, Soziologin im Hamburger Trendbüro. Um das durchzuhalten, muss der Yettie jung sein, und das ist er mit einem Alter von 20 bis 30 Jahren auch.

Das Privatleben bleibt dabei meist auf der Strecke. Ricarda Buckel, die gemeinsam mit ihrer Freundin Nouchka Mertsching eine Internet-Agentur leitet, erzählt, dass sie ihre Freunde meist nur noch sporadisch anruft, um ihnen zu sagen, dass sie doch keine Zeit hat. Verheerende Auswirkung hat das aber nicht. Yetties bleiben nämlich in der Regel unter sich und haben daher vollstes Verständnis für den prall gefüllten Terminkalender ihrer Freunde. Zudem sei die Unterhaltung mit Menschen aus anderen Branchen schwierig, da gemeinsame Themen fehlten. Und auch Partner oder Familie bleiben immer öfter alleine. Dann müssen E-Mail und Telefon das romantische Abendessen bei Kerzenlicht oder den gemeinsamen Wochenendausflug ersetzen.

Nach einer Studie des Soziologen Andreas Boes ist das Ende der Entwicklung noch nicht vorherzusehen. In zwei Jahren hat sich der Wissenschaftler der Technischen Universität Darmstadt mit rund 200 Yetties gesprochen. Seiner Einschätzung nach wird der Yettie wieder aussterben, sobald der Börsenrausch wieder abnimmt. Denn schließlich ist noch unklar, wie lange Menschen das Dilemma zwischen Beruf und dem absoluten Verzicht auf soziales Leben und Familie noch aushalten werden."

Für derzeit rund 1,8 Millionen Beschäftigte in der IT-Branche ist das der normale Alltag. Absolute Flexibilität und das Leben zwischen mehreren Städten stehen auf der Tagesordnung. Und es sollen noch mehr werden: Im Jahr 2003 werden nach einer Schätzung des Bundesverbands Informations- und Kommunikationssysteme 2,4 Millionen Menschen in dieser Branche hart arbeiten. "Acht-Stunden-Tag oder 40-Stunden-Woche gelten in der IT-Branche schon lange nicht mehr", weiß Geschäftsführer Werner Senger.

Hohe Einkommen – das Einstiegsgehalt liegt selten unter 100 000 Mark, oft gibt es zusätzlich Aktienpakete – und die Möglichkeit, schnell aufzusteigen, bewegen viele Menschen dazu, ihr Leben völlig der Arbeit zu verschreiben. Doch anders als ihrerzeit die workaholics sehen sie es als erstrebenswert an, im Job aufzugehen. Nicht die Arbeitgeber beuten sie aus, das tun die Yetties selbst. 10 Jahre dieser Arbeit sollen so anstrengend sein wie 30 in einer Branche mit "normalen" Arbeitszeiten. Kurzfristige Entscheidungen über Karriere und Leben stehen im Vordergrund – Leistung zählt. Oft führt der schnelle Erfolg zu einer Euphorie. Wie lange ein Mensch dieses Leben wirklich verkraftet, ist allerdings fraglich.

Doch immer mehr verfallen diesem Lebensstil. Und für all jene, die sich noch nicht erfolgreich in Yetties verwandelt haben, steht schon Hilfe bereit: Im Internet gibt es eine Kurz-Anleitung How to be a Yettie.

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  • Quellen
Verlag Heinz Heise

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