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News: Zahn um Zahn

Es ist schon erstaunlich, mit welchen Fragmenten Wissenschaftler die Ahnentafeln der heute lebenden Arten illustrieren können. Das Stammbuch der Menschenaffen blieb bisher weitgehend leer - nun aber hat sich die Seite der Orang-Utans um einige Zähne gefüllt.
Während Anthropologen die Abstammungsgeschichte des Menschen mit inzwischen etlichen Fundstücken wie Schädeln, Knochen, Zähnen oder gar vollständigen Skeletten illustrieren können, tappen ihre Kollegen, die sich mit der Evolution der Menschenaffen beschäftigen, noch weitgehend im Dunkeln. Keine Spur ist zu finden von den Vorfahren der Bonobos, Schimpansen und Gorillas – nur im Fall der Orang-Utans (Pongo pygmaeus), der "Waldmenschen", gibt es einige fossile Hinweise.

In Nordthailand gefundene Zähne ergänzen nun dessen Bildertafel des Stammbaums. Gefunden in Braunkohleschichten des Mittleren Miozäns, und damit 13,5 bis 10 Millionen Jahre alt, stammen die teilweise vollständigen, teilweise nur in Fragmenten vorhandenen Überreste offenbar von einem Männchen und einem Weibchen, denn sie zeigen ausgeprägte Größenunterschiede: ein deutliches Anzeichen für Geschlechtsdimorphismus, wie er bei den heutigen Orang-Utans und auch bei einigen seiner anderen fossilen Verwandten zu beobachten ist.

Von der Wurzel bis zur Krone, Höcker für Höcker und Riefe um Riefe analysierten Jean-Jacques Jaeger von der Université Montpellier II und seine Kollegen ihre 19 Fundstücke und verglichen sie mit den Zahnmerkmalen weiterer Angehöriger des Pongo-Clans wie den einige Millionen Jahre jüngeren Lufengpithecus lufengensis aus China und dem in Pakistan gefundenen Skelett von Sivapithecus sowie den Zähnen heutiger Orang-Utans. Nach gründlicher Prüfung war klar: Es handelt sich um eine neue, eigenständige Art: Lufengpithecus chiangmuanensis.

Allerdings schließen die Forscher nicht aus, dass weitere Funde womöglich sogar erlauben würden, eine neue Gattung dafür zu kreieren. Denn die Ähnlichkeit zu L. lufengensis ist zwar groß, doch entpuppen sich die ehemaligen Zahnträger gleichzeitig als bisher engste Verwandte der Gattung Pongo – wenn auch nicht als deren direkte Vorfahren. Und um dieser Verbindung gerecht zu werden, müsste die Art sogar einen eigenen Gattungsnamen bekommen.

Den Pollenkörnern der Fundschichten zufolge lebten die Tiere in einer tropischen Sumpflandschaft mit Süßwassertümpeln und artenreichem Tiefland-Regenwald, dessen Zusammensetzung sehr an ein ähnliches Habitat im oberen Einzugsgebiet des Weißen Nils erinnert, während kaum Übereinstimmung mit den gemäßigten Wäldern des späten Miozäns in China existiert. Die Forscher leiten daraus ab, dass im mittleren Miozän offenbar ein vorübergehender Ausbreitungskorridor zwischen Südost-Asien und Afrika bestanden haben muss, dessen Dauer und genaue Lage allerdings noch herauszufinden wäre.

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