Gravitationswellen: Das bislang klarste Signal zum zehnjährigen Jubiläum

Nach der allgemeinen Relativitätstheorie von Albert Einstein erzeugen zwei Massen, die sich umkreisen, Gravitationswellen. Dabei handelt es sich um Störungen im Raumzeitgefüge, die sich wie elektromagnetische Wellen mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Es war eine der wichtigsten wissenschaftlichen Entdeckungen der letzten Jahrzehnte, dass Einsteins neue Wellenform experimentell nachgewiesen werden konnte. Das gelang mit den beiden Gravitationswellen-Laserinterferometern LIGO in den USA. Inzwischen gibt es mehr Detektoren, und es sind ungefähr 300 kosmische Gravitationswellensignale gemessen worden. Nun wurde ein neues, besonders klares Signal veröffentlicht, das dem Durchbruchsignal ähnelt.
Ein Überraschungssignal und die Folgen
Das erste Signal GW150914 wurde nur von den beiden Laserinterferometern LIGO (englisch: Laser Interferometer Gravitational Wave Observatory) gemessen. Die beiden Detektoren in den USA, die rund 3000 Kilometer voneinander entfernt in Hanford und in Livingston installiert sind, haben eine Armlänge von jeweils vier Kilometern. Das Durchbruchsignal trat eindeutig in beiden Messinstrumenten unabhängig voneinander mit geringfügig unterschiedlichen Ankunftszeiten auf und war schon nach wenigen zehntel Sekunden verstummt. Seine Analyse ergab: Es wurde von zwei Schwarzen Löchern mit 29 beziehungsweise 36 Sonnenmassen erzeugt, die in 1,3 Milliarden Lichtjahren Entfernung zur Erde miteinander verschmolzen waren. Aufgrund der gigantischen Entfernung war die Gravitationswelle mehr als eine Milliarde Jahre unterwegs, bis sie die Detektoren auf der Erde traf.
Die Entdeckung wurde nach eingehender Analyse im Februar 2016 mit großem Medienecho bekanntgegeben. Schon im Jahr 2017 erhielten drei maßgeblich beteiligte Forscher den Physik-Nobelpreis, darunter der Pionier für Gravitationswellen-Laserinterferometer Rainer Weiss, der leider am 25. August 2025 im Alter von 92 Jahren verstarb.
Am 14. September feiern wir das zehnjährige Jubiläum des experimentellen Nachweises von Gravitationswellen. Es war der Beginn der Ära der Gravitationswellenastronomie. Fast alle der ungefähr 300 gemessenen Gravitationswellenereignisse stammen von zwei Schwarzen Löchern, die sich erst umrundeten und dann zusammenstießen. Wenige Signale stammen von zwei Neutronensternen – zum Beispiel GW170817 – oder von einem ungleichen Paar aus Neutronenstern und Schwarzem Loch. Das Resultat einer solch kosmischen Katastrophe waren bislang immer sich ausbreitende Gravitationswellen und die Bildung eines einzelnen Schwarzen Lochs nach der Kollision.
Neuzugang mit Brillanz: GW250114
Anlässlich des Jubiläums geben Forschende ein neues Signal bekannt: GW250114 ist das bislang klarste Signal von zwei Schwarzen Löchern, die zu einem größeren Schwarzen Loch verschmolzen waren. Wie das Durchbruchsignal GW150914 stammt auch GW250114 von zwei verschmelzenden Schwarzen Löchern, deren Massen dem 30- bis 40-Fachen der Masse unserer Sonne entsprechen; auch die Distanz ist vergleichbar. Dank der Fortschritte in Technologie, Theorie und Modellierung im Lauf von zehn Jahren ist der Neuzugang deutlich klarer und seine Eigenschaften lassen sich genau bestimmen.
Hawkings Flächensatz
Die Messdaten von GW250114 sind so gut, dass damit der Flächensatz des berühmten Theoretikers Stephen Hawking (1942–2018) getestet werden kann. Im Jahr 1971 forderte Hawking in diesem Theorem, dass die Gesamtoberfläche eines Schwarzen Lochs – gemessen an seinem Ereignishorizont – nicht kleiner werden kann. Das lässt sich bestens an kollidierenden Schwarzen Löchern überprüfen, denn das neu entstandene Schwarze Loch muss entsprechend eine größere Horizontoberfläche als die Summe der beiden Oberflächen der einzelnen Schwarzen Löcher aufweisen. Genau das ist der Fall, wie am Ereignis GW250114 zu sehen ist. Anhand des Signalverlaufs können sowohl die Oberflächen der beiden Schwarzen Löcher vor dem Zusammenstoß als auch des resultierenden Schwarzen Lochs nach der Kollision gemessen werden.
Weiterhin konnte GW250114 in Einzelschwingungen zerlegt werden. Zum ersten Mal gelang der Nachweis eines dritten höheren Obertons in der Abklingphase des Signals. Die Schwingungen können dazu benutzt werden, um die allgemeine Relativitätstheorie zu testen. Die Analyse ergab, dass das Schwingungsmuster in völliger Übereinstimmung mit Einsteins Theorie und klassischen rotierenden Schwarzen Löchern ist.
Heute betreibt die LIGO-Virgo-KAGRA(LVK)-Kollaboration ein weltumspannendes internationales Netzwerk aus Gravitationswellendetektoren. Das sind die beiden Observatorien LIGO in den USA, der Detektor Virgo in Italien, KAGRA in Japan und GEO600 in Deutschland. Es handelt sich dabei um L-förmige Laserinterferometer, die kilometerlange Arme haben; nur bei GEO600 ist die Armlänge mit 600 Metern kleiner. Erst durch diese Größe und durch Laser, deren Strahlen vielfach entlang eines Arms gefaltet werden, werden die Detektoren empfindlich genug, um winzige Vibrationen des Raumzeitgefüges aufzuspüren.
Was fehlt noch auf der Wunschliste?
Von allen gemessenen Signalen sind Kollisionen aus Neutronenstern und Schwarzem Loch eher selten. Davon wünschen sich Forschende mehr Ereignisse. Völlig anders sind die Wellenformen von Sternexplosionen. Die Gravitationswellenfrequenzen derartiger Ereignisse sind rund fünfmal höher als bei den typischen Signalen zweier Schwarzer Löcher, aber noch mit LIGO & Co messbar. Bislang wurden noch keine Gravitationswellen einer Supernova nachgewiesen.
Im Jahr 2035 soll das Weltraum-Laserinterferometer LISA seinen Betrieb aufnehmen. Durch seine gigantische Armlänge von 2,5 Millionen Kilometern kann es Gravitationswellen mit viel geringeren Frequenzen aufnehmen, die irdischen Detektoren verborgen bleiben. Damit sollen neue Quellen erschlossen werden: Paare aus Weißen Zwergen sowie extrem massereichen Schwarzen Löchern.
Natürlich muss auch der Urknall Gravitationswellen erzeugt haben. Berechnungen lege nahe, dass diese völlig andere Signalform viel zu schwach ist, um sie mit aktuellen Detektoren aufspüren zu können. Sehr wahrscheinlich wird ein solcher Nachweis noch Jahrzehnte auf sich warten lassen.
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