News: Zehnmal genauer und fünfmal schneller
Zustandseigenschaften von Wasser und Wasserdampf: Thermodynamiker der Ruhr-Universität Bochum leisteten entscheidende Beiträge zur Entwicklung neuer internationaler Industrie-Standards.
Ein vorher nicht geahnter Qualitätssprung bei der Berechnung
thermodynamischer Eigenschaften von Wasser und Wasserdampf ist
Bochumer Thermodynamikern gelungen: In einer Arbeitsgruppe der
International Association for the Properties of Water and Steam
(IAPWS) wurde unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Wagner,
(Lehrstuhl für Thermodynamik, Fakultät für Maschinenbau der Ruhr-Universität Bochum), eine neue Industrie-Formulation – das ist ein Paket von Zustandsgleichungen – für die thermodynamischen Eigenschaften von Wasser und Wasserdampf entwickelt.Die neue Industrie-Formulation IAPWS-IF97 deckt insgesamt einen
Temperaturbereich von 0° C bis 800° C bei Drücken bis 100 MPa
(1000 bar) und für Drücke bis 10 MPa (100 bar) sogar einen
Temperaturbereich bis 2000 °C ab. Auf der Grundlage des speziellen
Konzepts der neuen Formulation, das rechenzeitintensive Iterationen
bei der Berechnung von Zustandseigenschaften als Funktion der
technisch wichtigsten Variablenkombination vermeidet, ist die neue
Industrie-Formulation insgesamt mehr als fünfmal schneller als die
IFC-67. Darüber hinaus ist die IAPWS-IF97 im Mittel um das Zehnfache genauer als die IFC-67. Insgesamt ist ein vorher nicht für möglich gehaltener Qualitätssprung für eine solche Industrie-Formulation erreicht worden.Auf dem diesjährigen Jahrestreffen der IAPWS in Erlangen wurde der
gesamte Satz von Zustandsgleichungen unter dem Namen ,IAPWS
Industrial Formulation 1997 for the Thermodynamic Properties of
Water and Steam" als neuer internationaler Industrie-Standard
angenommen. Die neue Formulation IAPWS-IF97 ersetzt den bisherigen
Industrie-Standard, die IFC-67, die seit 1967 offizielle Grundlage
für Kraftwerksberechnungen auf der ganzen Welt war. Durch die
IAPWS-IF97 wird ein völlig neues Qualitätsniveau für die Genauigkeit und Schnelligkeit bei der industriellen Berechnung thermodynamischer Zustandsgrößen von Wasser und Wasserdampf erreicht. Die neue Formulation ist der größte Erfolg der internationalen Forschung auf dem Gebiet der Zustandseigenschaften von Wasser und Wasserdampf in den letzten 30 Jahren.Der bisherige Industrie-Standard für die thermodynamischen
Eigenschaften von Wasser und Wasserdampf war die in den 60er Jahren
entwickelte , The 1967 IFC Formulation for Industrial Use" (IFC-67).
In der Zwischenzeit erfüllte diese Formulation bei weitem nicht mehr die heutigen Qualitätsanforderungen an die Genauigkeit und
insbesondere an kurze Rechenzeiten für die Auslegung moderner
Hochleistungskraftwerke und anderer industrieller Anwendungen.Vor diesem Hintergrund beschloß die IAPWS 1990 in Buenos Aires, daß
eine neue, ,schnelle" Industrie-Formulation entwickelt werden sollte. Dafür wurde die Task Group ,New Industrial Formulation" gegründet, die von Prof. Wagner geleitet wurde und aus 12 Mitgliedern aus 7 Ländern bestand. Dabei wurden die Entwicklungsarbeiten an der
neuen Industrie-Formulation in enger Abstimmung mit der IAPWS-Working Group ,Industrial Calculations" vorgenommen. Mitglieder in dieser Working Group sind u. a. Vertreter der internationalen
Kraftwerksindustrie, z. B. General Electric und Westinghouse (USA),
Fuij Electric und Mitsubishi Heavy Industry (Japan), GEC Alsthom
(Großbritannien), Skoda (Tschechische Republik), ABB (Schweiz) und
Siemens KWU. Wesentlicher Bestandteil der Anforderungen war, daß die neue Industrie-Formulation innerhalb bestimmter Toleranzen an den internationalen wissenschaftlichen Standard für die
Zustandseigenschaften von Wasser und Wasserdampf, die IAPWS-95
Formulation, angekoppelt werden sollte; dieser wissenschaftliche
Standard wurde ebenfalls am Lehrstuhl für Thermodynamik der RUB
entwickelt. Die Hauptanforderung an die neue Industrie-Formulation
bestand jedoch darin, daß die Berechnung der industriell wichtigsten Zustandsfunktionen im Vergleich zur IFC-67 dreimal schneller sein sollte.Der Hauptanteil der Entwicklungsarbeiten an der gesamten Formulation wurde von Dr.-Ing. A. Kruse am Lehrstuhl für Thermodynamik der Ruhr-Universität Bochum durchgeführt. In enger Kooperation mit der Bochumer Gruppe wurden eine Reihe von Gleichungen auch durch die Thermodynamik-Gruppen der TU Dresden (Prof. Dr.-Ing. A. Dittmann) und der Hochschule Zittau/Görlitz (Prof. Dr.-Ing. H.-J. Kretzschmar) entwickelt.
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