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News: Zeit zu verreisen

Jahr für Jahr ziehen Scharen von Monarchfaltern in ihr Winterquartier Richtung Süden. Als Kompass nutzen sie die Sonne - geeicht über ihre innere Uhr.
Monarchfalter
Es muss ein gewaltiger Anblick sein, wenn sich Millionen von Schmetterlingen gemeinsam auf den Weg machen. Genau das tun alljährlich die Monarchfalter (Danaus plexippus) – mit einer Flügelspannweite von bis zu 12 Zentimetern durchaus beachtliche Tiere –, wenn sie im Herbst ihre Heimat im südlichen Kanada und den nördlichen USA verlassen, um in der Sierra Madre nordwestlich von Mexiko-City zu überwintern.

Dabei halten sie stets bestimmte Wanderrouten ein und können täglich Strecken von über 100 Kilometern zurücklegen. Im Frühjahr machen sie sich dann auf den Rückweg, vermehren sich unterwegs und sterben, während ihre Nachkommen die Reise nach Norden fortsetzen. Sobald die Nächte im Spätsommer wieder kühler werden, drehen die Falter ihre Zugrichtung um, und der Zyklus beginnt von neuem.

Die Schmetterlinge sind also über mehrere Generationen unterwegs und haben somit keine Chance, ihre Reiseroute zu erlernen. Wie finden sie ihren Weg?

Wie viele andere Tiere auch, nutzen die Monarchfalter die Sonne als natürlichen Kompass. Da dieser Wegweiser jedoch im Laufe des Tages seine Position ständig ändert, brauchen die Tiere zusätzlich eine Uhr, um den Kompass zu eichen. Und auf die Suche nach dieser inneren Uhr begaben sich Oren Froy und seine Kollegen von der University of Massachusetts.

Das zentrale Steuerelement – quasi die Unruhe – einer inneren Uhr kennen die Forscher bereits von der Taufliege Drosophila melanogaster, dem Lieblingsinsekt vieler Genetiker und Physiologen. Hier ist ein Gen namens per (für period) tageszeitabhängig aktiv. Die Aktivität dieses Gens konnten die Forscher auch beim Monarchfalter verfolgen, indem sie die Konzentration der Genkopie, der Boten-RNA, maßen.

Da die Tiere mit ihrer inneren Uhr auch den Schlupftermin nach der Verpuppung steuern – die Falter schlüpfen in den frühen Morgenstunden –, konnten die Forscher darüber leicht die Aktivität der Uhr unter verschiedenen Lichtbedingungen verfolgen: Im Dauerdunkel schlüpften die Tiere pünktlich zur Morgenstunde. Im Dauerlicht brach dagegen der Zeitgeber zusammen, die Falter beendeten ihr Verpuppungsstadium willkürlich über den Tag verteilt. Entsprechend verhielt sich das per-Gen: Licht löschte seine periodische Aktivität aus, die Uhr blieb quasi stehen.

Als nächstes mussten die Schmetterlinge ihre Orientierungsfähigkeit unter Beweis stellen: Nachdem sie mehrere Tage jeweils von sieben Uhr morgens bis sieben Uhr abends unter Licht gehalten wurden, setzten die Forscher sie in einem Flugsimulator der natürlichen Sonne aus und beobachteten, in welche Richtung die Falter davonschwirren wollten.

Erwartungsgemäß bevorzugten die Tiere einen südöstlichen Kurs, also genau die Richtung, in der sie ihr Winterquartier in Mexiko vermuteten. Ganz anders sah es jedoch aus, wenn der Licht-Dunkel-Wechsel um sechs Stunden nach vorne verlagert war: Jetzt strebten die Falter gen Südwest; ihr Kompass war um 90 Grad verstellt. Nach Dauerlicht hatten die Tiere jegliche Orientierung verloren. Das Licht diente den Tieren also als Zeitgeber, mit dem sie ihren Kompass entsprechend einstellen konnten.

Die Monarchfalter nutzen demnach die Sonne zweifach: einerseits räumlich als Kompass, andererseits zeitlich als Taktgeber. Froy und seine Kollegen entdeckten jedoch auch, dass die Tiere dabei unterschiedliche Anteile des Lichtes verwenden. Denn als die Forscher den Flugsimulator mit einem UV-Filter versahen, der nur Licht einer Wellenlänge oberhalb von 394 Nanometer passieren ließ, flatterten ihre Versuchstiere hilflos in alle möglichen Himmelsrichtungen hin und her. Offensichtlich benötigen die Falter zur Orientierung den UV-Anteil des Sonnenlichtes.

Der Schlupftermin der Puppen wurde dagegen nur über den sichtbaren Anteil des Licht gesteuert; UV-Licht beeinflusste die innere Uhr der Falter nicht. Die Falter verfügen demnach über zwei unterschiedliche physiologische Mechanismen: einem UV-abhängigen Kompass und eine UV-unabhängige innere Uhr. "Die lichtabhängigen Signalwege sind völlig unterschiedlich", erläutert Arbeitsgruppenleiter Steven Reppert. "Die Verfolgung dieser Signalwege könnte uns auf die zelluläre Ebene führen, wo die Wechselwirkung zwischen Uhr und Kompass abläuft."

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