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News: Zellteilung ohne Notbremse

Mathematisch betrachtet, dürfte es Tumore eigentlich nicht geben: Theoretisch mutieren die Zellen nicht schnell genug, um die genetischen Mechanismen zu überwinden, die eine unkontrollierte Vermehrung von geschädigten Zellen verhindern. Jetzt haben Forscher bei einigen Krebsarten eine Lösung dieses Paradoxons gefunden: Eine einzige Mutation kann das "Stopp"-Signal abschalten, das defekte Zellen normalerweise an der Teilung hindert. Als Ergebnis können Zellen zu wenige Chromosomen erhalten, was den Verlust der entscheidenden tumorunterdrückenden Gene zur Folge haben könnte.
Ein entscheidender Augenblick während der Zellteilung – der Mitose – ist die Aufteilung der DNA, bei der jede Tochterzelle einen kompletten Satz Gene erbt. Die duplizierten Chromosomen – die aus einem Paar identischer Chromatiden bestehen – binden an eine Spindel aus tubulären Proteinen. Die Chromosomen werden dann auseinandergezogen, und ein Chromatid wird auf jedes Ende der Zelle verteilt. Um zu vermeiden, daß beide in dieselbe Tochterzelle gelangen, gibt jedes nicht an der Spindel verankerte Chromosom ein Signal ab, das die Zellteilung verhindert. In Hefe wurden bisher sechs an dieser Notbremse beteiligte Gene gefunden.

Um zu überprüfen, ob Krebs bei Menschen mit der Funktionsfähigkeit dieser Gene zusammenhängt, haben sich Forscher der Johns Hopkins School of Medicine in Baltimore und der Case Western Reserve University in Cleveland auf das Hefe-Gen BUB1 konzentriert, das ein menschliches Äquivalent besitzt, nämlich hBUB1. Sie suchten dann nach hBUB1-Mutationen in krebsbefallenen Enddarm-Zellen. Nachdem sie zwei Mutationen gefunden hatten, fügten sie diese mutierten Allele in Zellen ein, die eine normale Anzahl von Chromosomen besaßen. Dadurch wurde die Steuerung der Mitose gestört, wie die Forscher in der Ausgabe von Nature vom 19. März 1998 berichten. "Nur eine einzige defekte Kopie ist erforderlich, damit die Überwachung der Chromosomenstabilität nicht funktioniert", fügt Daniel Cahill von der Johns Hopkins University hinzu.

Die Erkenntnisse über hBUB1 zeigen, wie wichtig regulierende Gene zur Unterdrückung von Tumoren sind, sagt Terry Orr-Weaver, Genetikerin am Whitehead Institute for Biomedical Research in Cambridge, Massachusetts. Außer hBUB1 sind jedoch noch mindestens zwei weitere BUB-Gene daran beteiligt, die Zellteilung zu bremsen, sowie drei Gene mit Namen MAD und eines, welches als MPS bezeichnet wird, fügt sie hinzu. Die neuen Erkenntnisse deuten darauf hin, daß eine Störung einer einzelnen Komponente des Systems zu defekten Chromosomen und so zu Krebs führen kann.

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