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News: Zerreißprobe für Nanoröhrchen

Klein, aber oho! Mit einem Durchmesser von nur wenigen millionstel Millimetern sind Nanoröhrchen die kleinsten röhrenförmigen Gebilde, die Forscher jemals beobachteten. Sie sind allerdings so winzig, dass Wissenschaftler die einwandigen Formen bis heute nur recht oberflächlich untersucht haben. Ihre Eigenschaften aber sind verblüffend: Im Vergleich zu den bisher in der Luftfahrt und für Sportausrüstungen verwendeten Kohlenstofffasern sind sie rund zehn Mal reißfester. Dies wiesen Materialforscher nun erstmals direkt nach, indem sie ein Röhrchenbündel auf einer Miniatur-Streckbank so lange dehnten, bis es schließlich doch riss.
Kohlenstoff-Nanoröhrchen bestehen aus einem Netzwerk von Kohlenstoff-Atomen, die auf bestimmte Weise zur Achse des Röhrchens ausgerichtet sind. Diese Ausrichtung und der Durchmesser der winzigen Graphitzylinder bestimmen entscheidend deren Eigenschaften. Und die sind erstaunlich, denn Nanoröhrchen besitzen eine seltene Kombination aus hoher Festigkeit und hoher Steifheit. Damit sind sie nicht nur der Traum von Ingenieuren und Piloten, die sich solche Materialien in Flugzeugen und Satelliten wünschen, sie ermöglichen für die Zukunft außerdem die Entwicklung von winzigen Maschinen oder Miniatur-Werkzeugen. Auch die Elektronik erhofft sich von den Nanoröhrchen neue Impulse, denn wird ein solches Kohlenstoff-Zylinderchen gequetscht, so ändert sich seine Leitfähigkeit. Dieses Verhalten lässt sich in sehr kleinen Schaltungen nutzen. Ein einzelnes Nanoröhrchen mit einer einfachen Wand ist jedoch so klein, dass es Wissenschaftlern bis heute nicht gelang, seine physikalischen Eigenschaften direkt zu messen.

Rodney Ruoff und seinen Mitarbeiter von der Washington University in St. Louis gelang nun ein Zerreiß-Test mit Bündeln aus einwandigen Röhrchen. Hierzu durchtrennten sie zuerst ein Nanoröhrchen-"Papier" so, dass die Bruchenden fransig waren. Unter ständiger Beobachtung im Elektronenmikroskop brachten sie anschließend hervorstehendes Nanoröhrchen-Bündel in Kontakt mit der dünnen Spitze eines atomaren Kraftmikroskopes. Auf die Berührungsstelle fokussierten die Forscher den Strahl des Elektronenmikroskops, um die einzelnen Röhrchen durch Adhäsion mit der Spitze des Kraftmikroskopes zu "verkleben" (Physical Review Letters vom 12. Juni 2000, Abstract).

Während sie das Bündel streckten, maßen die Forscher die Ablenkung der Spitze des Kraftmikroskopes und erhielten so einen Wert für dessen Reißfestigkeit. Anhand von kleinen Verunreinigungen auf der Oberfläche des Bündels zeichneten sie die Längenänderung während des Streckvorganges auf. Im Durchschnitt, so fanden die Forscher heraus, ist eine spezifische Zugkraft von 30 bis 50 Gigapascal (GPa) nötig, um ein einzelnes Nanoröhrchen zu zerreißen. Im Vergleich hierzu halten Kohlenstofffasern, die in der Luftfahrt und für Sportausrüstungen eingesetzt werden, nur etwa fünf GPa aus, Stahl reißt bereits bei drei GPa. Die gemessene Steifheit der Graphitzylinder lag bei 1000 GPa, was im Vergleich zu herkömmlichen Materialien ebenfalls sehr hoch ist. Beide Messwerte stimmen mit den theoretischen Annahmen für Nanoröhrchen überein, obwohl die Vorhersage der Festigkeit stark schwankt, da es nicht einfach ist, die langsame Spannungszunahme eines Röhrchens zu simulieren.

Boris Yakobson von der Rice University in Houston hält die gewonnenen Ergebnisse für wichtig, da sie erstmals direkt die Existenz von extrem reißfesten Röhrchen nachweisen, auf welche zuvor nur indirekt durch Experimente geschlossen werden konnte. Der nächste Schritt, den Ruoff´s Team sich nun vorgenommen hat, besteht darin, ein einzelnes Nanoröhrchen zu vermessen.

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