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Pandemien: Zerstörung der Natur öffnet Seuchen den Weg

Covid-19 ist wahrscheinlich das traurige Ergebnis unseres Umgangs mit der Umwelt. Raubbau fördert offensichtlich Zoonosen, wie eine Studie zeigt.
Brandrodung in Amazonien

HIV, Ebola, Zika, Nipah, Mers, Sars und Sars-CoV-2 … Die Liste der in den letzten Jahren und Jahrzehnten von Tieren auf Menschen übergesprungenen Viren ist lang. Und sie wird sich zukünftig noch verlängern. Denn unsere Eingriffe in die Natur und das zunehmende Vordringen in Wildnisgebiete fördert bestimmte Tierarten und ihre Pathogene, die Menschen infizieren können. Das zeigt eine Studie von Rory Gibb vom University College London und seinem Team in »Nature«.

Die Wissenschaftler betrachteten dazu 7000 Tiergemeinschaften auf sechs Kontinenten. Wie zu erwarten, beobachteten sie, dass größere Arten umso häufiger verschwanden, je mehr wir Wildnis in Farmland oder Siedlungsgebiete umwandeln. Umgekehrt profitierten kleinere Spezies wie bestimmte Nagetiere, aber auch anpassungsfähige Fledermäuse, die gut im Umfeld von Menschen zurechtkommen, jedoch zugleich verstärkt Krankheitserreger mit sich schleppen. Der Bestand von Tieren, die bekannte Wirte zoonotischer Pathogene sind, war in naturfernen Gebieten um das 2,5-Fache größer als in benachbarten naturbelassenen Regionen. Zugleich nahm der Anteil dieser Arten an der gesamten Fauna im menschlichen Nutzungsraum um bis zu 70 Prozent zu.

Die Studie zeige erstmals umfassend, dass Naturzerstörung die Tierbestände so verändere, dass das Risiko für bestimmte Seuchen steige, schreiben die Autoren. Je tiefer der Mensch beispielsweise in Regenwälder eindringe und dort Felder anlege, desto größer werde die Chance, mit neuen Erregern in Kontakt zu kommen – noch dazu, wenn die Wirte zusätzlich als Nahrung gejagt werden.

Die Wissenschaftler treten auch dem Eindruck entgegen, dass Wildnis die wichtigste Quelle für Zoonosen ist. Das Gegenteil treffe zu, schreiben Richard Ostfeld vom Cary Institute of Ecosystem Studies und Felicia Keesing vom Bard College in einem begleitenden Kommentar in »Nature«: »Die Studie von Gibb und Co zeigt ein beeindruckendes Muster. Die größten zoonotischen Bedrohungen treten dort auf, wo Naturgebiete in Acker- und Weideland oder Siedlungen umgewandelt wurden.«

Viele Nagetiere wie Ratten und Mäuse oder Fledermäuse kommen mit diesen Bedingungen gut zurecht, weil hier ihre Fressfeinde ausgerottet wurden. Zudem sind sie klein, anpassungsfähig sowie mobil und sie pflanzen sich schnell fort. Und ihr Immunsystem kommt offensichtlich gut mit einer Vielzahl an Erregern zurecht. Auch bestimmte Singvögel fallen in diese Kategorie, die als Reservoir für das Westnil- und Chikungunya-Virus gelten.

Angesichts des weiteren Bevölkerungswachstums und der fortschreitenden Erschließung von Naturräumen gehen die Forscher davon aus, dass die Zahl an Zoonosen noch weiter zunehmen wird. Außer: Covid-19 ist eine Lehre für uns.

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