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News: Zeugen aus der Tiefe

Wissenschaftler haben exotische glasige Einschlüsse in Olivinkristallen entdeckt, die aus Laven des Vulkans Mauna Loa auf der Insel Hawaii stammen. Spurenelementanalysen der Einschlüsse bestätigen eine seit längerem diskutierte Vermutung, dass im Erdmantel ein gigantischer Recyclingprozess abläuft.
Der Ursprung der meisten Vulkane liegt im Erdmantel, häufig in Tiefen von hundert Kilometern, wo festes, heißes Mantelgestein aufschmilzt, das selbst aus größeren Tiefen von Hunderten oder sogar Tausenden Kilometern stammt. Die Schmelze, Magma genannt, steigt durch Risse oder selbstgebahnte Kanäle in der obersten Mantelschicht in Magmakammern nahe der Basis des Vulkans selbst (in fünf bis zehn Kilometern Tiefe). In den Magmakammern beginnt das frische Mantelmagma zu kristallisieren und sich zu dem Material zu vermischen, das schließlich als Lava an der Erdoberfläche eruptiert. Wenn sich die ersten Kristalle bilden, schließen sie kleine Volumina von Schmelzen ein (ein Zehntel bis ein Hundertstel eines Millimeters im Durchmesser). Diese mikroskopisch kleinen Schmelzeinschlüsse erkalten als Glas, das die ursprüngliche Zusammensetzung des Magmas zum Zeitpunkt des Einschlusses bewahrt. Derartige Proben vom Mauna Loa auf Hawaii wurden jetzt mit Hilfe moderner mikroanalytischer Methoden, wie zum Beispiel der Ionenmikrosonde, von Alexander Sobolev (Russische Akademie der Wissenschaften in Moskau), Gastwissenschaftler am Mainzer Max-Planck-Institut für Chemie analysiert (Nature vom 27. April 2000).

Analysen Hunderter von Schmelzeinschlüssen haben normale, basaltähnliche Zusammensetzungen erbracht. Es wurden jedoch sechs "exotische" Einschlüsse gefunden, die höchst ungewöhnliche Zusammensetzungen an Spurenelementen aufwiesen. Die chemischen "Fingerabdrücke" dieser Spurenelemente gleichen nur jenen eines möglichen Gesteinstyps, der diese Schmelzen hervorgebracht haben konnte, dem so genannten Gabbro. Aber dieser Gesteinstyp wird nicht im Erdmantel, wo die Laven von Hawaii entstehen, gebildet und kann da auch nicht bestehen, da der Gabbro meist stark mit dem Mineral Feldspat angereichert ist, der unter den Bedingungen des tiefen Erdmantels (hoher Druck und Temperatur) in andere Minerale umgewandelt wird, zum Beispiel in Granat.

Die Lösung dieses Widerspruchs gelang durch Verknüpfung von Sobolevs Beobachtungen mit einer schon vor längerer Zeit formulierten Hypothese von Albrecht Hofmann, ebenfalls am Max-Planck-Institut für Chemie. Hofmann hatte die Vermutung geäußert, dass die ozeanische Kruste, die (nach dem Modell der Plattentektonik) an den mittelozeanischen Rücken stetig neu entsteht, entlang den Tiefseegräben wieder in den Erdmantel hinabsinkt ("Subduktion") und sich am "Boden" des unteren Erdmantels ablagert, vielleicht bei bis zu 2900 Kilometer Tiefe. Nach einer langen "Pause", die vielleicht eine Milliarde Jahre oder länger dauert, steigt diese vormalige Ozeankruste in einem "Mantel-Plume" wieder nach oben und beginnt bei einer Tiefe von etwa hundert Kilometern zu schmelzen, um Vulkaninseln wie die von Hawaii zu bilden. Diese Hypothese wird zunehmend durch indirekte geochemische Befunde, wie die Isotopenverhältnisse von Elementen, die durch natürlichen radioaktiven Zerfall entstehen, gestützt, wurde jedoch bisher nicht direkt durch chemische Daten bestätigt.

Eine solche Bestätigung ist nun der einzigartige Fingerabdruck der Spurenelemente dieser exotischen Schmelzeinschlüsse. Gabbro, der den tieferen Teil der ozeanischen Kruste weltweit bildet, wird während der Subduktion in einen anderen feldspatfreien Gesteinstyp, nämlich Eklogit, umgewandelt, und dieser Eklogit bewahrt den charakteristischen Spurenelement-Fingerabdruck von Gabbro. Wenn dieser in einem Mantel-Plume zur Oberfläche recycelt wird, schmilzt er zusammen mit normalem Mantelgestein auf. Diese verschiedenen Schmelzen werden normalerweise in den Magmakammern tüchtig vermischt, bevor sie eruptieren. Deshalb können die geochemischen Fingerabdrücke der aufgeschmolzenen Gesteine nicht leicht erkannt werden, da sie verdünnt und vermischt sind. Nur durch die Schmelzeinschlüsse in Kristallen, die vor dem Mischungsprozess gebildet werden, können die Wissenschaftler die Zusammensetzung des Magmas zu einem frühen Zeitpunkt festhalten und so den unverdünnten und eindeutigen Fingerabdruck der alten, recycelten Ozeankruste "sehen".

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