News: Zielsucher für neue Gene
Das endgültige Ziel ist es, ein Gen an eine Position zu bringen, an der es den meisten Nutzen und keinen Schaden verursacht, sagt Winocour.
Um neue Gene in die Zellen eines Organismus zu befördern, benutzen Wissenschaftler häufig Viren als Transportvehikel. Bevor ein solcher viraler Vektor abgeschickt wird, statten ihn die Forscher mit dem Gen aus, das sie befördern möchten – zum Beispiel eine gesunde Kopie eines beschädigten, krankheitverursachenden Gens. Der Vektor fügt sich in die Chromosomen ein, und das neu integrierte Gen repliziert sich jedesmal, wenn sich die Zelle teilt.
Allerdings werden alle bisher genutzten Vektoren an zufälligen Positionen in die Chromosomen eingebaut. Daher haben die Wissenschaftler kaum Kontrolle über die Funktion der neuen Gene. Die Gene können an Orten plaziert werden, wo sie schlecht oder überhaupt nicht funktionieren; an anderen Positionen können sie sich nicht einmal in der Zelle halten. Außerdem besteht das Risiko, daß an manchen Orten die neuen Gene die benachbarte DNA negativ beeinflussen.
Wenn wir wissen, an welcher Position die Gene auf den Chromosomen landen, können wir vielleicht verbesserte Gentherapien mit Langzeitwirkung entwickeln, sagt Prof. Winocour.
Um dieses Ziel zu erreichen schlagen Winocour und Kollegen vor, eines der sogenannten Parvoviren zu nutzen. Das auffallende Merkmal von Parvoviren ist ihre Zielstrebigkeit. Sie sind die einzigen Tierviren, die sich selbst nur an ganz bestimmten Positionen in die Chromosomen integrieren. In der neuen Studie untersuchten die Wissenschaftler den sogenannten minute virus of mice, oder MVM.
Sie entdeckten den Mechanismus, der es MVM erlaubt, ein bestimmtes Ziel im Chromosom anzusteuern, wobei Signale zwischen Virus und Chromosomen ausgetauscht werden. In der Folge war es den Forschern auch möglich, diesen Mechanismus in einem Modellsystem nachzubilden.
Weitere Forschungsarbeiten sind erforderlich, um festzustellen, ob unsere Methode in Versuchstieren funktioniert, sagt Winocour. Ein Erfolg könnte weitreichende Folgen für die Medizin und die Tierzucht haben. Winocour merkt an, daß diese Forschung auf andere Parvoviren ausgedehnt werden kann. Es gibt ungefähr 50 bekannte Parvoviren, von denen jedes vielleicht in der Lage ist, sich an einer bestimmten Position einzufügen. Wenn die gesamte Parvovirus-Familie nutzbar gemacht werden kann, könnte dies den Wissenschaftlern eine äußerst nützliche und vielseitige Phalanx von Gen-Vektoren liefern.
Der Heidelberger Verlag Spektrum der Wissenschaft ist Betreiber dieses Portals. Seine Online- und Print-Magazine, darunter »Spektrum der Wissenschaft«, »Gehirn&Geist« und »Spektrum – Die Woche«, berichten über aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung.
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