Direkt zum Inhalt

News: Zitterstopp

Die Standardtherapie der Parkinson-Krankheit verliert bei langer Behandlungsdauer ihre Wirksamkeit und führt sogar zu negativen Nebenwirkungen – dann sind Alternativen gefragt. Ein vom Körper produziertes Eiweiß könnte unerwartete Hilfe bringen.
Das morgendliche Aufstehen ist eine Qual: Erst den schmerzenden, steifen Körper auf die Seite legen, mühsam die Beine anwinkeln, mit den Armen hoch drücken und schließlich bis zum Sitzen hocharbeiten. Dann folgt der Kampf mit der Kleidung. Immer wieder zucken die Beine über das Ziel hinaus, und die Hände finden vor lauter Zittern die Knopflöcher nicht. Die Erlösung von der Mühsal bringt erst die tägliche Pillenration; mit ihr verschwindet das Zittern, die Muskeln entspannen sich, und die Bewegungen gelingen so, wie sie geplant waren.

Bei Parkinson-Patienten sterben in den Bereichen des Gehirns, welche die automatische Ausführung von vor langer Zeit erlernten Bewegungen steuern, Nervenzellen ab. Diese Neurone produzieren normalerweise den Botenstoff Dopamin, der für eine flüssige Bewegungsausführung entscheidend ist. Durch den Tod der Nervenzellen leidet der Patient unter Dauerzittern der Hände, seine Muskeln werden steif, und die Mimik gefriert zur Maske – die Bewegungen kommen nur schwierig in Gang und können dann nicht rechtzeitig gebremst werden.

Gute Behandlungserfolge zeigt das Medikament L-Dopa, das im Gehirn in Dopamin umgewandelt wird und so dessen Funktion übernimmt. Leider lässt die Wirkung des Mittels im Lauf der Therapiejahre nach, und es kommt verstärkt zu unwillkürlichen, überschießenden Bewegungen, so genannten Dyskinesien.

Eine andere, in Tierversuchen viel versprechende Alternative ist das Protein GDNF (glial cell-line derived neurotrophic factor), das der Körper selbst produziert: Es fördert die Entwicklung und den Erhalt von Dopamin produzierenden Neuronen.

Erste Untersuchungen zum Nutzen des Proteins am Menschen waren zunächst ernüchternd: Einmal im Monat direkt in die Gehirnventrikel eingebracht, zeigte GDNF außer Übelkeit, Erbrechen und Gewichtsverlust keine Wirkung. Um so bemerkenswerter sind die Ergebnisse, die nun ein internationales Team mit der punktgenauen Injektion des Proteins direkt in die betroffene Gehirnregion erzielte.

Eigentlich wollten Steven Gill vom Frenchay Hospital in Bristol und Clive Svendsen von der University of Wisconsin-Madison zunächst nur die Sicherheit der Methode überprüfen. Dazu implantierten sie und ihre Kollegen bei fünf Patienten einen Katheder in das von der Krankheit betroffene Gehirnareal, der kontinuierlich GDNF ins Gewebe einbrachte. Nach zwölfmonatiger Behandlung hatte sich der Zustand der Probanden deutlich verbessert – und das ohne nennenswerte Nebenwirkungen.

In der Region um die Katheterspitze fand sich deutlich mehr Dopamin. Offensichtlich wirkte GDNF positiv auf die Dopamin produzierenden Zellen und unterstützte das Dopamin bei seiner Aufgabe, die Motorik zu steuern. Denn die Bewegungsfähigkeit der Patienten war um fast 40 Prozent besser geworden; auch die Tests zur Analyse der täglichen Aktivitäten fielen um rund 60 Prozent besser aus. Die Dyskinesien, die vorher durch die Behandlung mit L-Dopa aufgetreten waren, verschwanden unter der Infusionstherapie. Außerdem gewannen drei Personen ihr Geruchs- und Geschmacksempfinden zurück, das durch die Krankheit deutlich schlechter geworden war.

Trotz der guten Erfolge warnen die Forscher davor, die Ergebnisse allzu hoch zu bewerten. Denn Magnetresonanzbilder zeigten eine erhöhte Signalintensität rund um die Katheterspitze – über deren Bedeutung rätseln die Wissenschaftler noch. Außerdem ist der Mechanismus, über den GDNF wirkt, noch unbekannt. Zudem traten bei der Implantation der Katheter Probleme auf: Bei einem Patienten musste er in einer zusätzlichen Operation neu platziert werden, da er nicht an der optimalen Stelle saß, und bei einem anderen infizierte sich die Wunde.

Den Katheter könnten in Zukunft manipulierte Viren ersetzen, die die Substanz ans Ziel transportieren sollen; oder es könnten Zellen implantiert werden, die GDNF direkt im Ort des Geschehens freisetzen. Die Forscher planen, bald an einer größeren Probandenzahl zu überprüfen, wie effektiv und dauerhaft das körpereigene Protein GDNF das Zittern der Parkinson-Patienten stoppt.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.