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News: Zu tun oder nichts zu tun

Der vorderste Bereich des Gehirns ist beim Menschen viel besser entwickelt als bei den Primaten. Wissenschaftler wissen nun schon seit geraumer Zeit, daß dieser Bereich - der sogenannte frontopolare präfrontale Cortex (FPPC) - aktiv ist, wenn Menschen etwas planen oder komplexe Probleme lösen. Es ist aber erst jetzt ans Tageslicht gekommen, was der FPPC zu diesen Aufgaben beiträgt: Er spielt eine entscheidende Rolle bei der gleichzeitigen Verfolgung verschiedener Aufgaben.
Der FPPC, so melden Jordan Grafman und seine Kollegen von den National Institutes of Health, Bethesda, Maryland, ist der Organisator für Zeit und Ressourcen des Gehirns. Er behält die Liste der zu erledigenden Aufgaben und setzt Prioritäten, wodurch wir in der Lage sind, uns an eine Reihe von Zielen zu erinnern, während wir ein anderes untersuchen und bearbeiten. Diese Fähigkeit, die den Neurowissenschaftlern als "Verzweigen" bekannt ist, weil sie die geistigen Ressourcen, die es überwacht, in Baumform aufteilt, ist nicht nur für die Entscheidungsfindung von enormer Wichtigkeit, sondern für jede Art der gleichzeitigen Erledigung von Aufgaben, wie Reden während des Kochens oder Fahren und gleichzeitig den Nachrichten zuhören.

Die Forscher kamen zu diesem Ergebnis, indem sie funktionale Kernspintomographie (fMRI) einsetzten – eine Technik, die "Echtzeitfilme" edr Gehirntätigkeit aufzeichnet und so anzeigt, welche Gehirnbereiche wahrscheinlich in eine bestimmte Aufgabe einbezogen werden. Wie sie in Nature vom 13. Mai 1999 beschreiben, haben sie die fMRI eingesetzt, um die Gehirne von sechs Probanden abzutasten, die einfache Lese- und Gedächtnisaufgaben durchführten. Die Forscher fanden heraus, daß die einzigen Teile des Gehirns, die aktiv waren, wenn die Aufmerksamkeit der Testpersonen vorübergehend von der Hauptaufgabe abgelenkt wurde, um gleichzeitig eine andere Aufgabe zu erledigen, die Seitenbereiche des FPPC waren. In Situationen, bei denen nur eine Aufgabe zu lösen war – wenn also ein Verzweigen nicht nötig war – schien das FPPC nicht eingebunden zu sein. Auch wurde dieser Organisationsbereich des Gehirns nicht durch die Schwierigkeit der fraglichen Aufgaben beeinflußt.

"Diese verzweigungsspezifischen Bereiche haben," so folgern die Forscher, "vielleicht eine Schlüsselrolle bei der Verarbeitung von Sequenzen, bei der häufig die Fortführung eines aktuellen Ablaufes unterbrochen werden muß, um ein Zwischenziel zu erreichen oder um auf neue Anforderungen aus der Umwelt oder aufkommende Gedanken zu reagieren." Damit mehren sich die Hinweise auf die große Bedeutung der Frontlappenbereiche des Gehirns als hochspezifische Werkzeuge der Entscheidungsfindung.

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