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Ohne Stromanschluss: Zuckersensor zapft Blutzucker an

Die meisten Diabetiker müssen täglich ein paar Tropfen Blut vergießen. Vielleicht kann man den Zuckerspiegel künftig ohne Piksen messen – und sogar ohne Strom.
Blutzuckertest

Ein neuer Sensor zapft die Energie des Körpers selbst an – und löst dadurch gleich mehrere Probleme. Der jetzt von einer Arbeitsgruppe um Sahika Inal von der King Abdullah University of Science and Technology in Saudi-Arabien entwickelte Zuckersensor speist sich aus der Energie, die in den Zuckermolekülen steckt. Dadurch kommt er ohne Stromversorgung und metallische Bauteile aus und kann womöglich viel länger im Körper bleiben als bisherige implantierte Sensoren, schreibt das Team im Fachmagazin »Nature Materials«.

Der Trick: Die Messung selbst erzeugt elektrische Energie – umso mehr, je höher der Zuckerspiegel ist. Ein Enzym namens Glukose-Oxidase, das an einen speziellen Kunststoff gekoppelt ist, wandelt Glukose zu Gluconolacton um. Dabei setzt es Elektronen frei, die vom Trägermaterial aufgenommen und weitergeleitet werden. Am anderen Ende des Sensors wird die negative Ladung auf Sauerstoffmoleküle übertragen; in Verbindung mit vorhandenen Wasserstoffionen entsteht Wasser – und es fließt Strom. Der Sensor, den die Fachleute als organischen elektrochemischen Transistor bezeichnen, misst Konzentrationen von 10 Nanomol bis 20 Millimol Glukose pro Liter. Die Zuckerspiegel im Blut und Gewebe von gesunden und an Diabetes erkrankten Menschen lägen also innerhalb des Messfensters. Im Speichel gesunder Probanden habe die Messung bereits funktioniert, so das Team. Schaltet man drei solcher Sensoren in Reihe und versorgt sie mit einem Millimol Glukose pro Liter, so liefern sie sogar genügend Energie, um eine Leuchtdiode zu betreiben.

Der Sensor besteht einzig und allein aus Kunststoff. Bei der Elektrode, an der die Umwandlung der Glukose stattfindet, handelt es sich um ein Polymer mit frei beweglichen Elektronen, einen n-Halbleiter; bei der Elektrode, an der Wasser entsteht, um einen p-halbleitenden Kunststoff. Um die Glukose-Oxidase auf dem Material zu befestigen und dieses für eine wässrige Umgebung tauglich zu machen, veränderte das Team die Oberfläche zusätzlich mit langen Molekülketten. Das bringt das Enzym offenbar so nahe an das Trägermaterial heran, dass es die bei der Reaktion frei werdenden Elektronen direkt aufnehmen kann. Andere Sensoren brauchen hierfür in der Regel ein weiteres Element. Ein solcher Sensor sei günstig herzustellen und funktioniere in physiologischen Flüssigkeiten wie zum Beispiel Speichel, so das Forscherteam. Ob man ihn Patienten implantieren kann, sei noch völlig unklar. Allerdings sei der neue Sensor chemisch stabiler als bereits erhältliche Sensoren, die den Zuckerspiegel innerhalb des Körpers messen.

Die herkömmliche Blutzuckermessung, etwa mit einem Teststreifen, basiert auf derselben enzymatischen Reaktion: Im Inneren des Messgeräts hat der Blutstropfen Kontakt zur Glukose-Oxidase. Die Technik nutzt jedoch nicht die Elektronen, die dabei frei werden, sondern ein Nebenprodukt der Reaktion – Wasserstoffperoxid. Dieses erzeugt ein elektrisches Signal, das proportional zur Glukosekonzentration ansteigt. Die reaktive Sauerstoffverbindung allerdings greift die Elektroden aus Metall an. Sensoren, die sich Diabetespatienten bereits heute unter die Haut pflanzen lassen können und auf der Methode basieren, müssen darum mindestens alle zwei Wochen ausgetauscht werden. Zwar erzeugt auch der neue Zuckersensor bei der enzymatischen Reaktion Wasserstoffperoxid. Die Polymere, die das Team um Inal als Elektrodenmaterial einsetzt, sind aber offenbar weniger oxidationsempfindlich: Erst nach etwa 30 Tagen büße der Sensor stark an Signalstärke ein, schreibt die Gruppe aus Saudi-Arabien.

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