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Röntgenastronomie: Zufallsentdeckung: Röntgenteleskop findet einen weitentfernten Galaxienhaufen

Das heiße Gas des Galaxienhaufens CXO J1415.2+3610 verriet ihn auf einer Aufnahme des Weltraumteleskops Chandra. Er steht so nahe an einem bereits bekannten Galaxienhaufen, dass er zufällig zusammen mit ihm abgelichtet wurde. Verbunden sind die beiden Haufen jedoch nicht, denn sie weisen stark unterschiedliche Rotverschiebungen auf: Zwei Milliarden Jahre kosmischer Geschichte trennen die beiden voneinander. Gerade für Kosmologen ist der neu entdeckte Haufen ein willkommener Fund.
Der Musketenkugel-Haufen

Durch Zufall entdeckte das Röntgenteleskop Chandra einen neuen Galaxienhaufen: Eigentlich beobachtete es das heiße Gas des Haufens WARP J1415.1+3612 besonders lange, um von diesem eine sehr gute Aufnahme zu gewinnen. Am Rande des Bilds tauchte dabei aber zweiter, weiter entfernter Galaxienhaufen auf, der die Bezeichnung CXO J1415.2+3610 erhielt. Mit einer Rotverschiebung von z = 1,5 handelt es sich bei ihm um den am weitesten entfernten Galaxienhaufen, den Chandra je abgelichtet hat.

Chandra weist nicht die Galaxien eines Galaxienhaufens nach, sondern dessen intergalaktisches Gas. Auf der Suche nach den Galaxien von CXO J1415.2+3610 zogen Paolo Tozzi vom italienischen INAF-Observatorium und seine Kollegen Beobachtungen des Subaru-Teleskops und des Spitzer-Weltraumobservatoriums heran, die im sichtbaren Licht und im Infraroten arbeiten. Dabei fanden sie tatsächlich eine Häufung von Galaxien innerhalb der vom Gas erfüllten Region.

Chandras Aufnahme der Galaxienhaufen | Auf dieser Röntgenaufnahme des Weltraumteleskops Chandra verraten sich die beiden Galaxienhaufen durch ihre Röntgenemission. Oben rechts der Haufen WARP J1415.1+3612, auf den Chandra zielte. Unten links im Bild der weiter entfernte und zufällig entdeckte Haufen CXO J1415.2+3610.
Die Entfernung des Haufens bestimmten die Astronomen aus seinem Spektrum. In diesem fällt eine sehr starke Emissionslinie von hochionisiertem Eisen auf. Die Wellenlänge, bei der diese Spektrallinie nachgewiesen wurde, ergab eine Rotverschiebung des Haufens von z = 1,5. Licht solcher hochgradig rotverschobenen Objekte erreicht uns aus einer Vergangenheit von vor mehr als neun Milliarden Jahren.

Für Kosmologen ist diese Entdeckung ein gefundenes Fressen: Chandras Datenmaterial erlaubt nicht nur die Rotverschiebung von CXO J1415.2+3610 zu bestimmen, sondern auch abzuschätzen, wieviel Masse er in sich vereinigt. Die Anzahl der Galaxienhaufen einer bestimmten Masse bei einer bestimmten Rotverschiebung ist jedoch ein sehr empfindlicher Test für die kosmologischen Modelle, welche die Expansionsgeschichte unseres Universums und seine materiellen Bestandteile beschreiben.

Chandra ist ein Röntgenteleskop, das die Erde in einem hochelliptischen Orbit umkreist. Es kann Galaxienhaufen nachweisen, weil in diesen eine große Menge Gases gefangen ist, das die Haufen aus ihrer kosmischen Umgebung angezogen haben. Stürzt dieses Gas in den Haufen, so heizt es sich auf extrem hohe Temperaturen auf: Im Falle des neuentdeckten Haufens beträgt die Gastemperatur beispielsweise um 60 Millionen Kelvin. Bei einer solch hohen Temperatur zerfallen Atome größtenteils in ihre geladenen Bestandteile, also in Elektronen und den positiv geladenen Atomkern. Diese elektrischen Ladungen können sich dann frei durch den Galaxienhaufen bewegen. Treffen sie aber auf ein anderes geladenes Teilchen, so werden sie von diesem abgelenkt und geben bei dieser Richtungsänderung Röntgenstrahlung ab. Jene Strahlung wird dann von Chandra empfangen.

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  • Quellen
arXiv: 1212.2560v1

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