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Raumfahrt: Zum Kometen? Bitte beim Mars links abbiegen!

Am frühen Morgen des 25. Februar flog die Raumsonde Rosetta auf ihrem langen Weg zum Kometen Tschurjumow-Gerasimenko dicht am roten Planeten Mars vorbei. Hier ein Bericht über die Ereignisse, direkt aus dem Kontrollraum im ESOC in Darmstadt.
Bereits bei der Ankunft im Weltraumkontrollzentrum ESOC der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA gegen 0:30 Uhr MEZ spürte man die erwartungsvolle Stimmung im Hauptkontrollraum. Die Missionskontrolleure starrten konzentriert auf ihre Konsolen und eine große Digitaluhr zählte die Minuten und Sekunden bis zur dichtesten Annäherung an den Mars. Ein Blick auf die Statusanzeigen im Kontrollraum enthüllte aber durchweg grüne Signale, so weit war wohl alles in Ordnung.

Diesmal konnten die Presse und die Gäste das Geschehen direkt verfolgen, denn das ESOC nutzte einen Konferenzraum dessen große Glasfront einen freien Blick in den Kontrollraum erlaubte. Im Allgemeinen finden sonst derartige Veranstaltungen wegen des großen Andrangs in einem großen Saal im Nachbargebäude statt, wo man aber nicht die Stimmung im Kontrollraum mitbekommt. Diesmal waren rund 80 Besucher gekommen, die den Konferenzraum gut füllten.

Ein großer Bildschirm zeigte das Funksignal von Rosetta als Spektrum. In der Mitte war der starke Ausschlag der Trägerwelle zu sehen, links und rechts davon zeigten sich variable Ausschläge. Sie zeigten, das gerade Daten von der Sonde übermittelt wurden, darunter auch Bilder vom Mars. Bereits um 19:20 Uhr am 24. Februar hatte Rosetta einige Bilder und Messdaten vom Mars aufgenommen, die jetzt als Funksignale die Erde erreichten.

Dies änderte sich um 2:15, als sich planmäßig der Hauptsender von Rosetta abschaltete und nur noch die Trägerwelle des Telemetriesenders (dieser dient Steuerung der Sonde) übrig blieb. Allerdings war dies schon 17 Minuten und 33 Sekunden vorher geschehen, denn an diesem Tag trennten Rosetta und Mars rund 316 Millionen Kilometer von der Erde, sodass die Funksignale entsprechend lange zum Blauen Planeten unterwegs waren.

Um einen sicheren Vorbeiflug zu gewährleisten, schalteten die Ingenieure alle für den Betrieb nicht notwendigen Geräte ab, darunter auch die Messinstrumente und Kameras. Dies vor allem deshalb, um die Stromversorgung der Sonde zu entlasten, denn für 25 Minuten musste Rosetta durch den Schatten des Mars fliegen. Während ihres Flugs über die der Nachtseite des Planeten erhielt sie ihren Strom aus den Bordbatterien, die nur eine begrenzte Stromspeicherkapazität besitzen und unbedingt geschont werden mussten. Deshalb nahm Rosetta während der dichtesten Annäherung an den Mars keine Bilder auf. Außerdem überflog die Sonde bei der dichtesten Annäherung die Nachtseite des Planeten, sodass die Kamera nicht viel hätte sehen können.

Ganz anders dagegen die kleine mitreisende Landesonde Philae, die im Jahre 2014 auf dem Zielkometen landen soll. Sie besitzt eine eigene, von Rosetta vollkommen unabhängige Stromversorgung. Deshalb durften ihre Kamera und ihr Magnetometer während der dichtesten Annäherung in Betrieb bleiben. Vier Minuten vor Erreichen des geringsten Abstands zum Mars nahm sie das nebenstehende Bild auf. Es gibt den Eindruck wieder, wie ein auf Rosetta mitreisender Astronaut den Vorbeiflug mit bloßem Auge erlebt hätte.

Um 3:13 brach wie geplant der Funkkontakt zu Rosetta ab, denn die Sonde befand sich nun von der Erde aus gesehen hinter dem Mars. Nur zwei Minuten später erreichte Rosetta den geringsten Abstand zum Roten Planeten, und überflog dessen Oberfläche in nur 249.1 Kilometer Abstand. Die Geschwindigkeit betrug zu diesem Zeitpunkt rund zehn Kilometer pro Sekunde.

Um die Spannung für die Gäste ein wenig zu lockern, nutzte Horst-Uwe Keller, der Chefwissenschaftler der OSIRIS-Kamera auf Rosetta, die Gelegenheit, die ersten Bilder vorzustellen, welche die Sonde nur wenige Stunden zuvor aufgenommen hatte. Schon das erste Bild enthüllte die hohe Qualität der Kamera, es zeigte den vollen Mars aus rund 240000 Kilometer Abstand. Sehr schön ließen sich Krater und bei genauem Hinsehen auch die bis zu 14 Kilometer hohen Vulkane der Region Elysium erkennen. Keller betonte, dass diese Bilder nur einen ersten Eindruck widerspiegeln, die meisten Aufnahmen würden erst nach dem Vorbeiflug zur Erde gefunkt.

Um 3:15 trat Paolo Ferri, der Flugdirektor für Rosetta, vor die Gäste und sagte: "Dies ist ein Moment, den alle Missionskontrolleure hassen. Wir sind ohne Funkkontakt und müssen nun alle abwarten, was passiert. Wir können nicht eingreifen, das ist frustrierend."

Aber schon um 3:28 Uhr waren er und die Gäste wieder erlöst, denn genau zum vorherberechneten Zeitpunkt fing die große Antenne der ESA in Australien die Trägerwelle des Steuersenders wieder auf und die Stimmung im Kontrollraum wurde deutlich entspannter.

Aber noch war nicht alles in trockenen Tüchern, denn noch befand sich die Sonde im Marsschatten und lief auf Batterie. Doch um 3:40 Uhr traf erstes Sonnenlicht die Solarpaneele, und sie lieferten wieder Strom. Das Funksignal hielt aber weiter an. Schließlich dann die Erleichterung um 3:52: Der Hauptsender hatte sich eingeschaltet und die Trägerwelle kam klar und deutlich. Allerdings verstrichen noch einige Minuten, bis dann auch die Datenübertragung wieder in Gang kam. Nun brach großer Jubel im Kontrollraum aus und Fernsehteams und Radioreporter bestürmten die Missionskontrolleure mit Fragen, die sie mit sichtlich zufriedenen Gesichtern gerne beantworteten.

Das nächste Etappenziel zum Schwungholen für Rosetta ist nun der Planet Erde, den sie am 13. November 2007 in geringem Abstand passieren wird. Nach diesem Vorbeiflug hat die Sonde dann genug Schwung, um den Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter zu erreichen. Am 5. September 2008 stattet sie dabei dem rund zwölf Kilometer großen Asteroiden Steins einen kurzen Besuch ab, bevor sie am 13. November 2009 abermals die Erde passiert. Erst nach weiteren fünf Jahren und einer insgesamt zehn Jahre dauernden Reise durch das innere Sonnensystem erreicht Rosetta schließlich den Kometen Tschurjumow-Gerasimenko.

TA

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