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Psychologie: Zungenentgleisung

Sie sitzen in einer Kneipe und wollen eigentlich bezahlen. Aber statt nach der Rechnung verlangen Sie nach einem weiteren Bier. Das ist nicht immer nur Absicht oder auf Trunkenheit zurückzuführen: Manchmal spielt einfach nur die Zunge verrückt!
Ist Ihnen ähnliches schon einmal passiert? Eventuell beim Heimwerken, als Sie hinter der Do-it-yourself-Schrankwand stehend einen Hammer benötigten, ihn auch auf dem Tisch liegend sahen, den Ehemann aber irrtümlicherweise nach der Axt fragten? Oder als Sie im Blumenladen der Liebsten einen Strauß roter Rosen kaufen wollten, der Händlerin aber aus Versehen erst einmal Nelken in Auftrag gaben?

Kein Wunder, denn derartiges passiert jedem von uns: Im Schnitt ein- bis zweimal am Tag ersetzen wir ein Wort versehentlich durch ein anderes. Ohne es zu merken! Häufiger sind natürlich Versprecher, die noch im selben Moment korrigiert werden: Sie wollen auf dem Markt Äpfel erwerben, beginnen aber mit "Ein Pfund Bir…", kriegen dann allerdings mit einem zackigen "äh" die Kurve zum Apfel, und so erhalten Sie doch den gewünschten Boskop.

Lange wurden Fehler wie diese nur als Folge galoppierender Gedanken angesehen, denen die sprachliche Ausdruckskraft hinterher hinkte: Aufholen zum Preis falscher Worte. Oder sie unterliefen durch Ablenkung, denn etwas zog Ihr Interesse vom eigentlichen Objekt der Begierde ab und entlockte Ihnen stattdessen den falschen Begriff.

Beides ist nicht völlig von der Hand zu weisen, Schnellsprecher verhaspeln sich in der Tat häufiger, und auch Unkonzentriertheit verleitet zu Fehlern. Aber viele Versprecher unterlaufen trotz gemächlichem Sprechtempos oder erhöhter Aufmerksamkeit. Den meisten Fehlern liegen demnach andere Ursachen zugrunde, wie jetzt anscheinend Zenzi Griffin vom Georgia Institute of Technology anhand von Sprechstudien an Probanden festgestellt hat.

Die Teilnehmer unterschiedlichen Alters sollten gezeichnete Objekte und Handlungen beschreiben. Dabei wurden sie auf mögliche verbale Fehler kontrolliert und parallel dazu ihre jeweiligen Augenbewegungen überwacht. Das Ergebnis war einigermaßen überraschend: Menschen, die "Axt" sagten, aber "Hammer" meinten, betrachteten das Objekt genauso lange wie Menschen, denen gleich der richtige Ausdruck über die Lippen kam. Mangelnde Konzentration konnte also ausgeschlossen werden.

Häufig nahmen die Wortverdreher die bildlichen Vorgaben sogar noch länger in Augenschein. Nachdem der Gegenstand eigentlich schon ausgiebig vor der Wortverwechselung betrachtet wurde, ergaben sich danach noch weit ausgedehntere Blickkontakte: Das Gehirn erkannte folglich seinen Fehler, stellte ihn aber erst nach einer nochmaligen Rückversicherung richtig. Zenzi Griffin schließt daraus nun auf Probleme in der jeweils konkreten Sprachplanung statt auf mangelnde Aufmerksamkeit: Auge und Gehirn liegen bereits richtig, aber auf dem Weg vom zentralen Denkorgan zum Mund läuft der Wortschatz kurzzeitig aus dem Ruder, und falsche Angaben sprudeln heraus.

Sie müssen sich nun aber deswegen keine Sorgen machen, denn linguistische Überschläge sind selten, und laut Zenzi Griffin gibt es noch einen weiteren Trost: Einmal mehr verrät Ihr Blick mehr als tausend Worte. Wenn Sie also verliebt in einen Blumenladen kommen und auf die roten Rosen starrend "Nelken" stammeln, gibt Ihnen die Händlerin wahrscheinlich doch die eigentlich gewünschten Blumen, und rettet so Ihr Glück.

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