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News: Zuwachs aus China

Irgendwann zum Ende der Kreidezeit muss sich die Säugetierordnung der Primaten entwickelt haben, aus der schließlich auch der Mensch entstand. Der Ursprungsort der Herrentiere ist jedoch immer noch unklar. Nun deutet ein neuer Fund auf China.
Teilhardina asiatica
Sie waren klein und unscheinbar. Doch als die Dinosaurier abtreten mussten, schlug ihre große Stunde: Aus scheuen, vermutlich nachtaktiven Insektenfressern hatte sich gegen Ende der Kreidezeit eine Säugetierordnung entwickelt, die Carl von Linné 65 Millionen Jahre später auf den Namen Primates oder Herrentiere taufen sollte. Mit Beginn des Tertiärs entfalteten sie sich in einer außerordentlichen Artenvielfalt.

Doch der Ursprung dieser erstaunlichen Karriere liegt immer noch im Dunkeln. Zu Beginn des Eozäns vor 55 Millionen Jahren tauchen plötzlich mehrere fossile Primatenarten auf – vor allem in Nordamerika und Europa, die damals noch friedlich vereint waren. Funde aus Asien sind dagegen spärlich; die Vermutung liegt daher nahe, dass sich unsere nächsten Verwandten irgendwo zwischen Alter und Neuer Welt etabliert haben.

Einer dieser frühen Primaten stammt aus Belgien und hört auf den Namen Teilhardina belgica, zu der sich inzwischen fünf weitere Arten gesellen, die alle in Nordamerika gefunden worden sind. Doch jetzt hat die Gattung Teilhardina Zuwachs aus einer ganz anderen Region der Erde bekommen: aus China. Xijun Ni von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und seine Kollegen tauften den Neuen auf den Namen Teilhardina asiatica.

Das 55 Millionen Jahre alte Fossil besteht aus einem nahezu kompletten Schädel und stellt damit den bisher ältesten Primatenschädel überhaupt dar. Mit einer Schädellänge von zweieinhalb Zentimetern war sein Träger ein eher zierliches Persönchen, das wohl weniger als 30 Gramm auf die Waage brachte. Seine Zähne deuten daraufhin, dass er sich vermutlich hauptsächlich von Insekten ernährt hat; die Art muss demnach an der Basis der Primaten gestanden haben. Aus den verhältnismäßig kleinen Augenhöhlen schließen die Forscher, dass T. asiatica – im krassen Gegensatz zur bisher vermuteten Nachtaktivität früher Primaten – vor allem tagsüber auf Insektenfang ging [1].

Doch diesen Schluss hält Robert Martin für voreilig [2]. Der Paläontologe vom Field Museum in Chicago geht vielmehr davon aus, dass frühe nachtaktive Primatenarten erst nach und nach ihre Augenhöhlen vergrößerten, um sich so an die Dunkelheit anzupassen. Demnach könnte T. asiatica durchaus nachtaktiv gewesen sein. Auch hätten die Autoren, so der Forscher weiter, die verhältnismäßig große Durchtrittsöffnung für die Nerven der Tasthaare an der Schnauzenspitze des Schädels nicht berücksichtigt, die auf einen für nachtaktive Tiere typischen gut ausgebildeten Tastsinn hindeuten.

In einem gibt Martin seinen chinesischen Kollegen jedoch Recht: Die neue Art muss tatsächlich zur Gattung Teilhardina gezählt werden, die Ähnlichkeiten mit T. belgica sind zu frappierend. Stammt diese Gattung demnach aus China und hat dann über Europa nach Nordamerika erobert? Auch das bezweifelt Martin: "Die anderen fünf, bisher als Teilhardina beschriebenen Arten gehören tatsächlich zu einer anderen Gattung. Und das bedeutet, dass Teilhardina auf Europa und Asien begrenzt war und sich wahrscheinlich nicht nach dem heutigen Nordamerika ausgebreitet hat."

Wie dem auch sei, die Familie der Omomyidae, zu der Teilhardina gehörte, erlebte ihre Blütezeit im Eozän, das vor 34 Millionen Jahre endete. Dann verschwand sie. Inzwischen hatten andere Primaten das Zepter übernommen, aus der schließlich eine Spezies hervorgehen sollte, die sich über die ganze Erde ausbreitete. Ihr Name: Homo sapiens.

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