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News: Zweimal auf sechs Beinen?

Unter Systematikern herrscht schon lange Einigkeit: Die Insekten, die erfolgreichste Tiergruppe überhaupt, sind eine monophyletische Gruppe, in der Evolution also nur einmal entstanden. Doch einige Biologen rütteln an diesem Stammbaum.
<i>Gomphiocephalus hodgonsi</i>
Fast alles, was auf Erden kreucht und fleucht, nämlich vier Fünftel aller bekannten Tierarten, gehört zum Stamm der Gliederfüßer oder Arthropoda. Von ein paar Feinheiten abgesehen, sind sich Systematiker bei der Aufgliederung dieses erfolgreichsten Tierstamms aller Zeiten weitgehend einig: Neben den sechsbeinigen Hexapoda, also den Insekten, tummeln sich hier noch die Chelicerata, wozu die Spinnentiere gehören, die Krebse oder Crustacea sowie noch die Tausendfüßler oder Myriapoda.

Und dass die Hexapoda eine echte systematische Gruppe sind, in der Evolution also auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückblicken können, wurde bisher auch nicht angezweifelt. Schließlich sprechen zahlreiche Ähnlichkeiten im Bauplan der Tiere für ihre Monophylie; eine paraphyletische, also mehrfache Entstehung der Insekten scheint ausgeschlossen.

Doch "das Bild ist viel komplizierter als bisher angenommen", meint Francesco Nardi von der Università degli Studi di Siena. Zusammen mit seinen Kollegen sägte er am Stammbaum der Insekten, indem er sich nicht auf Körpermerkmale, sondern auf genetische Methoden stützte: Die Forscher analysierten die mitochondriale DNA, die sich schon häufig als wertvolles systematisches Hilfsmittel erwiesen hatte.

Die genetische Analyse von 35 Arthropodenarten brachte Überraschendes zu Tage: Zwei Springschwänze, Gomphiocephalus hodgonsi und Tetrodontophora bielanensis, weigerten sich standhaft, sich in die Insekten einordnen zu lassen. Doch bisher wurden die Springschwänze oder Collembola, die massenhaft durch viele Waldböden wuseln, immer als primitive, flügellose Insekten angesehen. Schließlich haben sie sechs Beine, und auch weitere Baumerkmale stimmen mit denen der Hexapoda überein. Hat die Evolution die Sechsbeinigkeit zweimal erfunden?

An einer Stelle hakt allerdings der neue Stammbaum: Denn auch die Honigbiene (Apis mellifera) sowie eine Laus (Heterodoxus macropus) finden sich plötzlich nicht mehr bei den Insekten, sondern in der Nähe der Myriapoda und Chelicerata wieder. Nun will Nardi den Bienen nicht ihren Insektenstatus nehmen, die Zuordnung sei vielmehr "wahrscheinlich ein Artefakt".

Die Forscher haben daraufhin ihren Stammbaum noch einmal etwas genauer statistisch ausgewertet und beschränkten sich jetzt auf nur noch 15 Arten. Doch schon wieder wollten sich die beiden Collembolen nicht einreihen. Hartnäckig blieben sie in der der Nähe der Krebse.

Für Nardi gibt es demnach keinen Zweifel: Die Hexapoda sind nicht monophyletisch; die Kerbtiere haben mindestens zweimal auf sechs Beinen das Land erobert.

Andere Kollegen bleiben skeptisch. Nach Ansicht von Frederick Schram von der University of Amsterdam haben Nardi und seine Kollegen zu wenig Arten untersucht, und der Collembolen-Experte Cyrille D'Haese vom American Museum for Natural History meint schlicht: "Das kauf' ich ihnen nicht ab."

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