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News: Zweimal Krach gibt leise

Gegen Lärm hilft Lärm. So könnte man das Patent des deutschen Physikers Paul Lueg vereinfacht übersetzen. In seiner Patentanmeldung beschrieb er 1933 ein physikalisches Grundgesetz, mit dem Forscher und Entwicklungsingenieure heute die Innengeräusche eines Fahrzeugs verstummen lassen und den Fahrkomfort per Knopfdruck deutlich verbessern können.
Luegs Idee ist einfach: Zwei identische Töne beziehungsweise Luftschwingungen löschen sich gegenseitig aus, wenn sie phasenverschoben, also um eine halbe Schwingung zeitversetzt, aufeinander treffen. Unter idealen Bedingungen ist von den beiden Tönen am Ort der Überlagerung, die Ingenieure auch Interferenz nennen, nichts mehr zu hören.

Moderne Mikroprozessoren machen die technische Umsetzung dieses Patents möglich. Acht in der Dachverkleidung installierte Mikrofone registrieren zunächst die vielen verschiedenen Töne, die Fahrzeuginsassen als störendes Geräusch zum Beispiel von einem Vier-Zylinder-Motor wahrnehmen. Ursache für sein typisches Brummen sind die Zündvorgänge.

Die Mikrofone wandeln die registrierten Töne in Signale um und geben diese an einen nachgeschalteten Regler ab, der genau auf den brummenden Grundton abgestimmt ist. Sein Mikroprozessor verschiebt die Phase der eingehenden Geräuschsignale um genau die Hälfte und sendet sie an sechs im Fahrzeug verteilte Lautsprecher weiter. Die Lautsprecher geben folglich genau die Geräusche, die zuvor die Mikrofone aufgenommen haben, phasenverschoben an ihre Umgebung ab.

Von den Insassen sind diese zeitlich verzögerten Geräusche genauso wenig zu hören wie das ursächliche Brummen des Vierzylinders. Übrig bleibt ein Hintergrundgeräusch, das von anderen Motorkomponenten und den Reifen erzeugt wird und das den Insassen das Fahrgefühl von einer leisen Limousine gibt.

Da beim Fahren die Motordrehzahl und damit Tonhöhe und Lautstärke ständig variieren, paßt sich der elektronische Regler laufend an. Die Akustikexperten nennen ihn daher auch adaptiven Regler. Vom erhöhten Leerlauf bis zur Enddrehzahl des Motors kann er das Vier-Zylinder-Brummen um durchschnittlich zehn bis zwölf Dezibel senken. Für die Insassen halbiert sich die subjektiv empfundene Lautstärke, wenn der elektronische Geräuschlöscher eingeschaltet wird.

Ein Restgeräusch möchten die Forscher der Daimler Benz AG jedoch auf jeden Fall erhalten. Es liefert dem Fahrer unverzichtbare Informationen über Geschwindigkeit, Fahrbahnbeschaffenheit und Drehzahl.

Das Restgeräusch und die Wirkung des Gegengeräuschs analysieren die Forscher unter realistischen Bedingungen. Sie setzen eine Art Akustik-Dummy ein, dessen Mikrofon-Ohren in der richtigen Position sitzen und alle Geräusche objektiv erfassen.

Die Tests bestätigen: Unter Einsatz moderner Mikroprozessoren sind als Lärm empfundene Störgeräusche mit dem gleichen Lärm zum Schweigen zu bringen. Eine solche praktische Bestätigung seines Patents blieb Lueg in Ermangelung der nötigen Technik 1933 verwehrt.

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