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Zweitsprache: Freie Fahrt für die rechte Hirnhälfte

Während des Lernens einer Fremdsprache verändern sich die Verbindungen zwischen den Spracharealen. Die rechte Hemisphäre, die beim Sprechen normalerweise wenig zu melden hat, gewinnt in dieser Zeit an Bedeutung.
Zwei Frauen unterhalten sich gestikulierend

Wenige Monate nach ihrer Ankunft in Deutschland besuchten knapp 60 Erwachsene aus Syrien einen Intensiv-Sprachkurs. Über einen Zeitraum von einem halben Jahr lernten sie täglich fünf Stunden, fünf Tage die Woche. Das Besondere: Vor Beginn, zur Halbzeit und nach dem Abschluss begaben sie sich in einen Hirnscanner. Es ist eine der wenigen Langzeitstudien, die die Entwicklungen im Gehirn beim Erwerb einer neuen Sprache dokumentiert. Die Forscher um Alfred Anwander vom Leipziger Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften untersuchten hierzu per Traktografie die neuronalen Faserbahnen.

»Die Konnektivität zwischen den Spracharealen in beiden Hemisphären nahm mit dem Lernfortschritt zu«, erklärt Erstautorin Xuehu Wei. Das galt etwa für Netzwerke, die die Bedeutung und den Klang von Wörtern verarbeiten. Obwohl die rechte Gehirnhälfte normalerweise eine untergeordnete Rolle bei der Sprachverarbeitung spielt, kam es auch dort zu einer verstärkten Beteiligung. Der wissenschaftlich bedeutsamste Aspekt: In den Monaten drei bis sechs nahm die Stärke der Verbindung zwischen linker und rechter Gehirnhälfte ab.

Die Autoren haben dafür eine plausible Erklärung. Die Muttersprache wird von der linken Hemisphäre überwiegend selbstständig verarbeitet. Sie hemmt dann die Regionen der rechten Hirnhälfte und stellt sozusagen sicher, dass diese nicht dazwischenfunkt. Beim Erlernen einer neuen Sprache spielt die rechte Hemisphäre eine wichtigere Rolle, denn sie verfügt über Ressourcen, die für den Aufbau eines neuen Wortschatzes genutzt werden können. Eine Abnahme der Verbindungsstärke zwischen beiden Hirnseiten bedeutet also: freie Fahrt für die rechten Sprachareale. Dieser Mechanismus sei eine fundamental neue Erkenntnis, schreiben die Autoren.

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