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Geschlechterverhältnis: Zwergflusspferdmännchen zeugen eher Töchter

Zwergflusspferde

Wenn im Tierreich nicht etwa genauso viele männliche wie weibliche Nachkommen geboren werden, haben daran fast immer die Weibchen gedreht: Sie verfügen über verschiedene subtile Mechanismen, das Geschlechterverhältnis der Nachkommenschaft zu beeinflussen. Unter Zwergflusspferden scheinen sich in dieser Hinsicht aber offenbar gerade die Männchen gehörig einzumischen, meinen nun Thomas Hildebrandt vom Leibniz Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin und seine Kollegen.

Zwergflusspferde | Ein harmonisches Zwergflusspferdpärchen in Kenia. Die Tiere sind allerdings in freier Wildbahn eigentlich Einzelgänger und treffen sich nur zu Paarungszwecken; Männchen müssen zuvor ihr Territorium in teilweise heftigen Kämpfen gegen Konkurrenten verteidigen. Bei hoher Populationsdichte (oder in Gefangenschaft) kann das für gehörigen Stress sorgen. Womöglich ist dies ein Auslöser für Prozesse, die im männlichen Fortpflanzungsapparat mehr weibliche Spermien als männliche ausreifen lässt – was der Grund dafür sein mag, dass in allen Zuchtprogrammen weltweit schon immer etwas mehr weibliche als männliche Zwergflusspferde geboren wurden.

Die Forscher haben zunächst anhand von seit 1919 angefallenen Daten aus Zuchtprogrammen ermittelt, dass bei in Gefangenschaft gehaltenen Zwergflusspferden (Choeropis liberiensis) mehr Weibchen (57,5 Prozent) als Männchen ( 42,5 Prozent) geborenen werden. Dies, so meinen die Forscher nun, liege offenbar allein daran, dass die Männchen mehr weibliche als männliche Spermien produzieren und bei der Paarung übertragen. Belegt wird dies durch Analysen, bei denen das Team die X- und Y-Chromosomen in den Spermien des Zwergflusspferdsamens verlässlich automatisiert bestimmten: Tatsächlich nur gut 43 Prozent der Spermien von zehn Tieren erwiesen sich dabei als männlich.

Bisher können die Forscher nur mutmaßen, welchen möglichen Vorteil es für die Zwergflusspferde haben könnte, dass das Geschlechterverhältniss von der eigentlich zu erwartenden Gleichverteilung abweicht. Womöglich sei der Effekt aber eine Folge der künstliche Situation in der Gefangenschaft: Würden Tiere in freier Wildbahn ähnlich häufig auf Artgenossen treffen, so wäre dies ein Zeichen für eine hohe Populationsdichte, in der ein verstärkte Konkurrenz von Vätern mit ihren herangewachsenen Söhnen um Reviere zu erwarten sei. Die Väter gingen diesem Problem dann vielleicht durch das Zeugen von Töchtern eher aus dem Weg. Einen Wettbewerb mit den Müttern um die Geschlechterverteilung in der nächsten Generation scheint der Trick der Väter nicht auszulösen: Obwohl die Weibchen Gegenmaßnahmen treffen könnten – etwa, durch cryptic-female-choice-Prozesse, die männlichen Nachwuchs gegenüber weiblichem bevorzugen – findet offenbar keine weibliche Gegenmaßnahme statt.

Unklar ist auch noch, über welche physiologischen Prozesse der männliche Körper die höhere Zahl von befruchtungsfähigen Spermien mit Y-Chromosom erreicht. Ohnehin war noch bei keinem Säugetier ein Mechanismus gefunden worden, über den die selektive Reifung von Spermien möglich wäre. Vielleicht ist danach aber einfach noch nicht gesucht worden: Die Forscher halten für untersuchenswert, ob ähnliche Prozesse nicht auch in anderen Arten oder sogar dem Menschen dafür sorgen könnten, das Geschlechterverhältnis der nachfolgenden Generation zu beeinflussen.

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