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News: Zwischenstation für Cholera-Erreger?

Mangelnde Hygiene, verschmutztes Trinkwasser, verunreinigte Nahrungsmittel - beste Voraussetzungen für eine Cholera-Epidemie. Doch wohin verschwindet der Erreger zwischen zwei Ausbrüchen? Er überdauert nicht im menschlichen Körper, sondern bleibt freilebend in aquatischen Lebensräumen. Vielleicht versteckt er sich dort in den Gallerthüllen von Eigelegen kleiner Mücken.
Wer zum ersten Mal eine Abwasserprobe unter dem Mikroskop betrachtet, wird erstaunt sein, welch quirliges Leben er darin erkennen kann. Bakterien, Pilze, winzige Tiere und Pflanzen schwimmen hektisch durcheinander oder gleiten geruhsam durchs Bild. Grundlegende Nahrungsquelle für alle sind Schwebstoffe und gelösten Nährstoffe, die aus den zahlreichen Kanälen in die Kläranlagen strömen.

Zu den Besiedlern gehören auch eine ganze Reihe von Krankheitserregern, die dann für Probleme sorgen, wenn beispielsweise Trinkwasser oder Nahrungsmittel mit Abwasser verunreinigt werden. So gelangt unter anderem das Cholera-Bakterium Vibrio cholerae, das freilebend in solchen Gewässern vorkommt, in seinen Wirt, den Menschen. Dort löst es durch ein Gift die schwere Erkrankung aus, die vor allem durch den starken Flüssigkeitsverlust im Darm lebensbedrohlich werden kann. Ein Reservoir ist der Mensch jedoch nicht, denn der Erreger kann im Körper nicht für längere Zeit überdauern.

Doch offenbar findet er bei den Insekten Unterstützung, von denen viele einen Teil ihrer Entwicklung im Wasser verbringen – so auch die Zuckmücken (Chironomidae). Die kleinen, nicht-stechenden Mücken legen ihre Eier in speziellen Paketen mit Gallerthülle in Tümpeln, Bächen oder Seen ab, wo sich dann die Larven entwickeln. In organisch belasteten Gewässern können sie massenhaft auftreten.

Dementsprechend fühlen sie sich auch in Abwasserteichen wohl. Doch manchmal schlüpfen nur wenige Larven erfolgreich aus den Eiern. Meir Broza und Malka Halpern von der University of Haifa wollten daher untersuchen, ob womöglich Bakterien die Gallerthülle zerstören und damit den Eiern die Nahrungsgrundlage entziehen. Als sie aus ihren Proben verschiedene Bakterien isolierten, entdeckten sie auch etliche Exemplare von Vibrio cholerae, aber aus Stämmen, die für den Menschen nicht pathogen sind. Daraufhin nahmen sie noch eine ganze Reihe weiterer Proben aus anderen Abwasserteichen unter die Lupe, und überall konnten sie die Keime nachweisen.

Die Bakterien kommen offenbar nicht rein zufällig in den Gallerthüllen vor, sondern nutzen diese als Kohlenstoffquelle, wie die Forscher in Laborversuchen nachweisen konnten. Somit könnte es sich bei den Chironomiden-Gelegen um ein natürliches Reservoir für die Erreger handeln. Und das nicht nur für die hier harmlosen Varianten – auch die pathogenen Keime dürften sich nach Ansicht von Broza und Halpern darin wohlfühlen. Vielleicht erklärt das, wohin sich Vibrio cholerae zwischen zwei Epidemien zurückzieht.

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  • Quellen
Nature 412: 40 (2001)

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