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Nanomedizin: Zwittrig geladene Nanopartikel machen Krebszellen den Garaus

Ein Forscherteam hat sich eine neue Strategie überlegt, um Krebszellen abzutöten. Nanopartikel, die sowohl positiv als auch negativ geladen sind, sollen diesen Job erledigen.
Speziell geladene Nanopartikel können Krebszellen killen

Nanopartikel sind ein beliebtes Vehikel, um Medikamente in Zellen zu befördern und so zum Beispiel Tumorzellen zu bekämpfen. Häufig steuern sie aber nicht nur Tumor-, sondern auch gesunde Körperzellen an. Um dieses Problem zu lösen, stattete ein Team um die Biotechnologin Kristiana Kandere-Grzybowska und den Chemiker Bartosz Grzybowski vom Ulsan National Institute of Science and Technology in Korea winzige Goldkügelchen mit positiven und negativ geladenen Kohlenwasserstoffketten an ihrer Oberfläche aus. Bei genau dem richtigen Mengenverhältnis beider töteten die Teilchen menschliche Krebszellen ab. Normale Zellkulturen ließen sie hingegen in Ruhe. Die Fachleute stellten fest, dass die Nanopartikel im Inneren von Krebszellen verklumpen und so ihre Verdauungsorgane, die Lysosomen, zum Platzen bringen, während sie das in gesunden Zellen nicht tun. Das liege daran, dass dort ein unterschiedlicher pH-Wert herrsche, schreibt das Team nun in der Fachzeitschrift »Nature Nanotechnology«.

Dass es im Tumorgewebe besonders sauer zugeht, war bereits bekannt. Das liegt daran, dass Krebszellen keinen Sauerstoff benötigen, um Energie zu gewinnen. Statt Zucker zu verbrennen, vergären sie ihn. Dabei entsteht Milchsäure, die den pH-Wert um die Zellen herum auf etwa 6,5 absenkt. In der Umgebung von normalen Zellen herrscht hingegen ein pH-Wert von 7,4. In vorherigen Studien hatte die Arbeitsgruppe bereits festgestellt, dass das Versammlungsverhalten geladener Nanopartikel stark vom pH-Wert der Umgebung abhängt. Je nachdem, wieviel positive und negative Ladung sie an ihrer Oberfläche tragen, lagern sich die Partikel bei einem bestimmten pH-Wert zu größeren Komplexen zusammen. Wie groß diese Versammlungen werden, ist ebenfalls von der Ladungsverteilung und dem äußeren pH-Wert abhängig.

Weil Zellen Partikelkomplexe in einer Größe von 50 bis 100 Nanometern offenbar besonders gut aufnehmen, konstruierten die Forscher Nanopartikel, die sich bei einem krebstypischen pH-Wert verklumpen. Dazu platzierten sie unterschiedlich viele positiv und negativ geladene Kohlenwasserstoffketten an der Oberfläche von fünf Nanometer großen Goldpartikeln. Verpassten sie den Kügelchen zu viel positive Ladung, töteten sie nicht nur Krebs-, sondern auch normale Zellen. Zu negative Nanopartikel wollte die Zelle hingegen nicht aufnehmen, sondern stieß sie ab. Ein Verhältnis von 80:20 von positiven zu negativen Gruppen stellte sich als optimal heraus.

Doch der Weg der neuen Technik zu Patientinnen und Patienten ist noch weit, vermuten Fachleute. »Wer Tumoren behandeln will, muss zunächst zeigen, dass dieses neue Prinzip nicht nur in Zelllinien, sondern auch im Tiermodell funktioniert«, sagt Volker Mailänder, der am Max-Planck-Institut für Polymerforschung und der Universitätsmedizin in Mainz tätig ist. Auch er forscht an Nanotransportern für medizinische Anwendungen. Da sich die Teilchen in einem tierischen Organismus mitunter ganz anders verteilten, könne es sogar sein, dass sich ihre Selektivität ins Gegenteil verkehre, sagt der Mediziner. Das Team aus Korea plant bereits weitere Versuche, um zu klären, ob ihre Nanopartikel auch im Tiermodell Krebszellen töten und dabei ungiftig sind.

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