Mathematische Knobelei: Ali Lager und die 40 Regale
Beim Betreten des Gebäudes gesellt sich ein sympatischer kleiner Roboter zum Kunden und führt ihn durch die Gänge zu den gewünschten Waren. Kinder bis sechs Jahren dürfen auf seinem Rücken mitfahren, die größeren vergnügen sich mit dem holografischen Computerspiel, das er während der Beratung nebenbei für sie projiziert. Hat der Kunde sich entschieden, trägt ein Lastenroboter - klein für die leichten oder groß für die schweren Dinge - die Waren zur Ausgabe. Unterwegs berechnet er den zu zahlenden Preis und zeigt ihn auf einem Display an.
An der Ausgabe verpacken Mitarbeiter die Waren und kassieren den fälligen Betrag. Hier arbeitet auch Albert Lagerstein, von seinen Kollegen kurz "Ali Lager" genannt. Der orientalisch klingende Spitzname passt nicht ganz zum Aussehen des großen, blonden jungen Mannes mit den wasserblauen Augen. Aber er soll auch mehr eine andere Eigenschaft hervorheben: Ali ist ein Zauberkünstler im Umgang mit Zahlen! Die Kubikwurzel aus einer sechsstelligen Zahl? Kein Problem. Die zwölfte Potenz von sieben? Dauert nur ein Sekündchen. Oder zwanzig zur Fakultät? Sofort ist die Antwort da. Ali schreibt sie in Null-komma-nichts auf einen Zettel. Einfach sagen könnte er die Zahl schon, aber Ali ist gehörlos und seine Aussprache für ungeübte Ohren nur schwer verständlich. Deshalb tritt er auch nicht öffentlich auf, sondern arbeitet hier im Supermarkt, wo die Kollegen im Zweifelsfall eher ihm trauen als den Anzeigen der Lastenroboter.
Einmal am Tag ist dennoch Showtime! Die ganze Belegschaft der Warenausgabe freut sich schon darauf, wenn pünktlich um 11 Uhr "der Wesir" den Markt betritt. Der "Wesir" ist natürlich gar kein Wesir, so nennen ihn die Angestellten nur, um im Märchenbild zu bleiben. In Wahrheit kennt niemand seinen Namen. Jedenfalls handelt es sich bei ihm ebenfalls um einen Zahlenzauberer, der anscheinend viel Geld besitzt und damit seinen Spaß haben will - sehr zur Freude der Geschäftsleitung.
Bei SUPABILLICH kann man nämlich alles kaufen, was das Herz begehrt oder der Kopf aus einem anderen Grund haben möchte, vom Dauerlutscher bis zur Segeljacht. Wie der Werbespruch schon verkündet, kostet jedes Produkt einen runden Markbetrag. Und außerdem gibt es jeden Preis nur genau einmal! Für den Dauerlutscher - und nur für den - zahlt der Kunde eine Mark, das Teesieb kostet zwei Mark, die Kaffeetasse drei Mark und so fort bis zu dem erwähnten Schiff für eineinhalb Millionen. Die Waren sind nach einem merkwürdigen (und für die Aufgabe wichtigen) System in Regalen einsortiert: Im Regal Nummer eins befindet sich nur der Lutscher. In der zweiten Abteilung liegen die Produkte zu zwei, drei und vier Mark, im dritten Regal alle Waren, die fünf, sechs, sieben, acht oder neun Mark kosten, im Regal vier die Dinge zu 10, 11, 12, 13, 14, 15 und 16 Mark usw.
Der Wesir nutzt diese seltsame Ordnung zu einem Spiel mit Ali, einem freundschaftlichen Kräftemessen. So kaufte er letzte Woche beispielsweise alle Waren unter 1000 DM, deren Preis eine Primzahl war - Ali brauchte nur einen Augenblick, um die Summe im Kopf zu errechnen. Gestern ließ er den Serviceroboter alles heranschaffen, was zwischen 1000 und 2000 DM kostet und dessen Preis durch 147 teilbar war. Ali erkannte diese Regel noch, bevor die Dinge vollständig auf seinem Tisch lagen und hatte die Rechnung im gleichen Moment fertig.
Und heute? Eine ganze Karawane von Lastenrobotern fährt heran. "Heute kaufe ich von allem ein Exemplar, was in Regal 40 liegt", dröhnt der volle Bariton des Wesirs. Ali kann es zwar nicht hören, aber dank des guten Mundbildes von den Lippen ablesen. Nur eine Winzigkeit später hat er die Summe der Waren errechnet und tippt sie mit dem Lormen-Alphabet dem Wesir in die Hand. Oh, habe ich etwa vergessen, das zu erwähnen? Der Wesir ist blind. Ali benutzt den Code der Taubblinden, um ihm etwas mitzuteilen. Dass seine Lösung der Aufgabe richtig war, merken die beiden jedoch auch so an den Vibrationen ihres gemeinsamen Lachens, das der eine nicht hören und der andere nicht sehen kann. Verstehen tun sie sich dennoch prima.
Wieviel Geld hat sich der Wesir seinen Spaß heute kosten lassen?
Für n=40:
= 1522+1523+...+1600
= 1280800-1157481
= 123319
Der Wesir musste also stolze 123 319 DM zahlen.
Das mathematische Problem stammt von Univ.-Prof. Dr. Gerd Baron und Dr. Richard F. Mischak. Weitere Aufgaben finden Sie auf den Seiten des Wettbewerbs Jagd auf Zahlen und Figuren. Die erzählerische "Verpackung" gestaltete Dr. Olaf Fritsche.
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