Direkt zum Inhalt

Hemmes mathematische Rätsel: Die fehlerhafte Waage

Kann man den Fehler einer nicht perfekt austarierten Waage auf einfache Weise beheben?
Waage

Die weltweit erste Zeitschrift, die ausschließlich Artikel und Aufgaben zur Unterhaltungsmathematik veröffentlichte, war das belgische Magazin »Sphinx«, das den Untertitel Revue Mensuelle des Questions Récréatives trug. Es erschien monatlich von 1931 bis 1939 in Brüssel und wurde von dem in Russland geborenen belgischen Mathematiker und Elektroingenieur Maurice Borissowitsch Kraitchik (1882–1957) herausgegeben. Das Magazin und ihr Herausgeber organisierten sogar zwei internationale Kongresse zur Unterhaltungsmathematik. Der erste Kongress fand 1935 in Brüssel und der zweite 1937 in Paris statt. 1930 veröffentlichte Kraitchik ein Buch mit dem Titel La Mathématique des Jeux ou Récréations Mathématique, aus dem das heutige Rätsel stammt.

Einem Krämer ist die Waage von der Ladentheke gefallen. Dadurch ist der Waagebalken ein wenig verrutscht, so dass jetzt das rechte Ende etwas länger ist als das linke. Weil er die Waage nicht in eine Werkstatt bringen will, behilft sich der Krämer auf folgende Weise: Um ein Kilogramm Mehl zu erhalten, wiegt er zwei Portionen ab. Die erste Portion bekommt er, indem er ein 500 Gramm Gewichtsstück auf die linke Waagschale legt und das Mehl in die rechte Schale füllt. Bei der zweiten Portion macht er es umgekehrt: Das 500-Gramm-Gewicht kommt auf die rechte Schale und das Mehl auf die linke. »Was ich bei der ersten Portion zu wenig habe, muss ich bei der zweiten zu viel haben«, denkt der Krämer. Hat er Recht?

Nach dem Hebelgesetz ist eine Waage im Gleichgewicht, wenn das Produkt aus dem Gewicht in der Waagschale und der Länge \(L\) des Waagbalkenarmes für beide Seiten gleich ist und somit \(G_1 L_1 = G_2 L_2\) gilt.

Angenommen, die beiden Waagbalkenarme haben ursprünglich die Länge \(L\) und werden durch den Sturz um \(A\) verschoben, so dass sie danach die Längen \(L_1=L-A\) und \(L_2= L+A\) haben. Mit dem Gewichtsstück \(G\) erhält der Krämer also bei der ersten Wägung Mehl vom Gewicht \(G_1\) mit \(G_1\cdot (L – A) = G\cdot (L + A)\) und bei der zweiten Wägung vom Gewicht \(G_2\) mit \(G_2\cdot (L + A) = G\cdot (L – A)\).

Insgesamt wird somit \(G_{\text{ges}}= G_1+ G_2 \) an Mehl abgewogen. Löst man die beiden Gleichgewichtsgleichungen nach \(G_1\) und \(G_2\) auf und setzt sie in das Gesamtgewicht ein, erhält man \(G_{\text{ges}} = 2 G \cdot \frac{L^2+A^2}{L^2-A^2}\). Da der Bruch größer ist als 1, gilt \(G_{\text{ges}} > 2G\). Folglich wiegt der Krämer seinen Kunden immer mehr als 1 kg Mehl ab.

Die fehlerhafte Waage

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.