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Flächen in Dezibel

Treitz-Rätsel

Karlchen Schlau findet es lästig, Flächen in Tausenden von Quadratkilometern usw. anzugeben. Nach einem Kurs über Akustik kommt ihm die Erleuchtung: Die kleinste mit bloßem Auge sichtbare Fläche, die man leider nicht genau kennt, nennt er 0 Dezibel (= 0 dB), das 10-Fache davon 10 dB, das 100-Fache 20 dB, das Millionenfache 60 dB. 1 Quadratmeter wird dann durch etwa 80 dB angegeben, ganz Deutschland ist dann 306 dB groß, die Hälfte davon natürlich 303 dB (also 3 dB weniger, weil der Logarithmus von 2 zur Basis 10 rund 3 ist). Wie finden Sie das?

Wie Sie das finden, weiß ich natürlich nicht, aber ich finde es ziemlich idiotisch. Das Dumme ist nur, dass man in der Akustik genau das macht: Die gerade eben hörbare Energieflussdichte von Schallwellen bekommt 0 dB, jede Verzehnfachung 10 dB mehr (additiv!). Wenn das Ohr kaputt geht, sind das nur 130 dB, also immerhin die zehnbillionenfache Energieflussdichte.

Da die Energieflussdichte quadratisch mit der Druckamplitude geht, gehört zur millionenfachen Energieflussdichte nur die tausendfache Druckamplitude (und auch die tausendfache Geschwindigkeitsamplitude). Die Dezibel-Angabe ist aber dafür stets 60 dB. Für Karlchen Schlaus Vorschlag würde das bedeuten, dass zur verdoppelten Quadratseite und damit der vervierfachten Fläche in jedem Fall eine Zunahme um 6 dB gehört.

Übrigens ist Karlchen vor kurzem Finanzminister geworden. Er gibt die Staatsverschuldung auch in Dezibel an und ist ganz stolz darauf, dass sie im letzten Jahr nur um 1 dB zugenommen hat ...

Der Hintergrund des Dezibel in der Akustik ist folgender: Für alle Sinnesorgane gilt mehr oder weniger genau, dass die gerade noch wahrnehmbare Differenz einer Reizstärke proportional zur vorhandenen Reizstärke selbst ist (Gesetz von Weber). Fechner hat daraus die Vermutung abgeleitet, dass die (zunächst nicht näher definierte) Empfindungsstärke proportional zum Logarithmus der physikalisch messbaren Stärke des Reizes (also der in der Außenwelt auftretenden Erscheinung) sei. Diese wird aber in dieser Form kaum bestätigt. Die logarithmische Reizbewertung mit der Quasi-Einheit "Dezibel" setzt genau dieses sogenannte Weber-Fechner-Gesetz als gültig voraus. Ich gebe ja zu, dass es für Leute, die mit Logarithmen vertraut sind, eine gewisse Bequemlichkeit bedeutet, nur kleine Zahlen verwenden zu müssen, und dass es auf einem HiFi-Equalizer hübsch aussieht, wenn an den Knöpfen oder Schiebereglern überschaubare Zahlen und nicht wilde Zehnerpotenzen stehen (mit vielen Nullen oder mit Hochzahlen geschrieben), aber trotzdem ist es richtig: Wenn jemand die Absicht gehabt haben sollte, Lärmmessungen zu verharmlosen, hätte ihm nicht Eleganteres einfallen können als eine logarithmische Skala.

Dass der Frequenzabhängigkeit der Empfindlichkeit unserer Ohren durch gewisse Filter (ausgewiesen z. B. durch die Angabe in dB(A)) Rechnung getragen wird, hat mit der Frage nach logarithmischer oder linearer Bezifferung nichts zu tun, sondern ist unabhängig davon sinnvoll, wenn man einmal davon absieht, dass dabei der keineswegs harmlose niedrig-frequente Infraschall ganz herausfällt, so als wäre er gar nicht da.

Die durchaus satirisch gemeinten Beispiele mit den Flächen und der Staatsverschuldung sind tatsächlich nicht absurder als die Praxis bei der Messung von Schall.

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