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Kreise auf dem Schustermesser

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Aus einem hellblauen Kreis ist ein gelber Kreis ausgeschnitten, der ihn am Rand berührt. Nun werden "unendlich viele" dunkelblaue Kreise nebeneinander in die verbleibende Fläche gelegt, angefangen mit dem größtmöglichen, und dann jeweils die größtmöglichen Kreise, die in die verbleibende Fläche passen. Wegen der Symmetrie haben wir es dabei immer mit Paaren gleich großer Kreise zu tun.

Zeigen Sie: Zwischen je zwei Kreisen, die ein solches Paar bilden, hat genau eine ungerade Zahl von Kreisen derselben Größe in einer geraden (hier waagerechten) Reihe Platz, ohne Rücksicht auf Überlappung mit Kreisen anderer Größen.

Im Bild ist das für drei grüne Kreise zwischen zwei Kreisen derselben Größe zu sehen. Zwischen die nächst-kleineren passen fünf Kreise, dann sieben und so weiter.

Wir benötigen dafür etwas Wissen über die Inversion: Dabei wird der Punkt mit den Polarkoordinaten \((r,\omega)\) auf den Punkt mit \(\left(\frac{R^2}{r},\omega\right)\) abgebildet, wenn der Inversionkreis den Mittelpunkt in \((0,0)\) und den Radius \(R\) hat (siehe auch das Rätsel Steiner-Kette). Diese Abbildung bildet Kreislinien oder Geraden auf Kreislinien oder Geraden ab ("Kreistreue"). Bei der Abbildung bleiben Kreismittelpunke nicht erhalten, wohl aber ihre Schnitt- und Berührpunkte.

Sie müssen also nur noch einen geeigneten Kreis für die Inversion aussuchen.

Als Mittelpunkt des Inversionskreises nehmen wir den oberen Scheitel, also den Berührpunkt des großen hellblauen Kreises mit dem gelben ausgeschnittenem Loch. Dann wählen wir das Paar gleich großer dunkelblauer Kreise aus – in der Zeichnung in blaugrau markiert. Den roten Inversionskreis wählen wir dann so groß, dass er beide je zweimal rechtwinklig schneidet. Jeder der beiden graublauen Kreise wird dann auf sich selbst abgebildet.

Da die Umrandungen des gelben kreisförmigen Lochs (grün) und der hellblauen Scheibe (blau) beide durch das Inversionszentrum gehen, sind ihre Inversionsbilder die beiden waagerechten Geraden (grün und blau), die durch die Schnittpunkte der ursprünglichen Kreise (gelb beziehungsweise hellblau) mit dem Inversionskreis gehen.

Die gleich großen grünen und graublauen Kreise zwischen den beiden Geraden werden auf die – verschieden großen – dunkelblauen und graublauen Kreise abgebildet. Die Beziehungen ihrer gemeinsamen Berührpunkte werden von der Abbildung treu wiedergegeben. Die drei grünen Kreise zwischen den graublauen sind also die Bilder der drei größten dunkelblauen Kreise im unteren Teil des Bilds. Ebenso kann man die Behauptung für jedes andere Kreispaar – mit jeweils passendem Inversionsradius – zeigen.

Im Übrigen ergibt sich der pinke Kreis, der durch das Inversionszentrum verläuft, aus der pinken Gerade durch die Mittelpunkte der grünen Kreise. Beachten Sie aber, dass er nicht durch die Mittelpunkte der blaugrauen Kreise geht!

Hier ist noch ein schöner Spezialfall, bei dem das gelbe Loch 1/4 der Kreisfläche ausmacht (jawohl, es ist genau so groß wie der größte dunkelblaue Kreis):

Mit dem Ergebnis des allgemeineren Falls können wir auf einfache Weise eine sonst ziemlich knifflig aussehende Frage beantworten:

Nehmen Sie zwei Kugeln, die sich von außen berühren. Eine dritte Kugel hülle die beiden kleineren so ein, dass ihr Mittelpunkt auf der Verbindung der Mittelpunkte beider kleineren Kugeln liegt. Wie viele Kugeln passen nun zwischen die große und die beiden kleinen Kugeln, wenn diese neuen Kugeln einzeln alle drei berühren sollen?

Es ist schon erstaunlich, dass das Ergebnis nicht vom Größenverhältnis der ersten beiden Kugeln abhängt.

Dieses Bild zeigt den Schnitt der äußeren Kugel (blassgelb) und der zwei davon eingehüllten Kugeln (grün und gelb), sowie zwei der sechs nachträglich eingefügten Kugeln (türkis). Dass man die beiden türkisen Kreise einzeichnen kann, ist ohne weiteres klar. Im bisherigen Hauptteil des Rätsels haben wir gesehen, dass diese beiden türkisen Kreise zwischen sich genau den Platz frei lassen für einen gleich großen Kreis, der hier gepunktet ist.

Nun kann man sich überlegen, wie viele Kugeln gleicher Größe Sie um eine der gleichen Größe legen können, wenn alle Mittelpunkte in einer gemeinsamen Ebene liegen sollen.

Die Lösung ist das symmetrische Hexlet: Wie jeder Gemüsehändler und jede Biene wissen, sind es 6 Kugeln, die einen geschlossenen Kranz bilden. Das heißt, jede Kugel berührt beide Nachbarinnen und natürlich auch die innere Kugel. Da sich das Problem in einer Ebene abspielt, ist das nichts anderes, als wenn man sechs gleich große Münzen um eine sechste legt.

Damit ist nun klar, dass die beiden türkisen Kreise Schnitte von zwei von insgesamt sechs gleichen Kugeln sind, die sich zwischen der großen blassgelben und den beiden zuerst erwähnten (oberen gelben und unteren grünen) Kugel als nahtloser Kranz einfügen lassen. Das Größenverhältnis der grünen und gelben Kugeln ist dabei völlig beliebig: es passen immer sechs türkise Kugeln dazwischen, und sie schließen sich stets ohne Lücke und ohne Überlappung zu einem Kranz!

Hier sehen Sie drei Animationen dazu:

© mit frdl. Gen. von Norbert Treitz
© mit frdl. Gen. von Norbert Treitz

Hier sind jetzt auch noch die 27 (= 3 + 4·6) Berührpunkte eingetragen:

© mit frdl. Gen. von Norbert Treitz
© mit frdl. Gen. von Norbert Treitz

Etwas einfacher sieht es aus, wenn die beiden "mittleren" Kugeln gleich groß sind:

© mit frdl. Gen. von Norbert Treitz
© mit frdl. Gen. von Norbert Treitz

Man kann das Ergebnis auch anders formulieren: Wenn Sie zu einem Ring aus 6 gleichen Kugeln, deren Mitten ein regelmäßiges Sechseck bilden, zwei Kugeln hinzufügen, die alle 6 Kugeln und einander ebenfalls berühren sollen, dann gibt es eine Kugel, die alle 8 Kugeln umschließt und berührt.

Mit einer weiteren Anwendung der Inversion kann man auch noch zeigen, dass die Mitte der umhüllenden Kugel nicht auf der Strecke zwischen den Mitten der zwei Kugeln liegen muss. Auch in diesem Fall passen stets 6 Kugeln – die dann allerdings nicht mehr gleich groß sind – dazwischen, und auch diese berühren jeweils ihre beiden Nachbarinnen und die drei anderen Kugeln. Frederick Soddy hat das (ohne Inversion!) gefunden und den Sechserring "Hexlet" genannt.

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  • Quellen
Mehr darüber in den Abschnitten 4.5 und 5 in Ogilvy, C. Stanley: Unterhaltsame Geometrie [Excursions in Geometry], Braunschweig/Wiesbaden 1984 (Vieweg) ISBN 3–528–28314–9

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