Direkt zum Inhalt

Kriminelle Einwanderer?

Eine Auswahl von Handfeuerwaffen

Die "Knall"-Zeitung hat es immer schon gewusst: Die Einwanderer sind krimineller als die Inländer. Zum Beweis nennt sie folgende Zahlen: In einem bestimmten Zeitraum sind von den 187 000 einheimischen Bewohner(inne)n der Stadt 0,8% wegen einer Straftat verurteilt worden, von den 13 000 Einwanderern (beiderlei Geschlechts) 1,0%. "Knall" titelt: "Ausländer um 25% krimineller!" In der Zeitung "Globus" werden dieselben (!) zu Grunde liegenden Daten nach Geschlechtern aufgeschlüsselt, und das sieht so aus: Bei den inländischen Männern sind 1,3% verurteilt worden, bei den männlichen Einwanderern aber nur 1,2%. Bei den Frauen sind es 0,4% (Inländerinnen) bzw. 0,3% (weibliche Einwanderer). Titelzeile im "Globus": "Einwanderer gesetzestreuer". Wie reimt sich das zusammen? Welche Zeitung hat Recht?

Man sollte vielleicht noch wissen, dass es in der fraglichen Stadt je 100 000 Männer und Frauen gibt, aber von den 13 000 darin enthaltenen Einwanderern sind es 10 000 Männer und nur 3000 Frauen.

Wenn die Bezeichnung "Einwanderer" geschlechtsneutral zu verstehen ist, hat formal die "Knall"-Zeitung Recht. Aus den ausführlicheren Daten im "Globus" kann man aber entnehmen, dass einerseits in beiden Gruppen Männer mehr Straftaten begehen als Frauen und andererseits die Männer bei den Einwanderern stark überrepräsentiert sind, jedenfalls in unserem Zahlenbeispiel. Das könnte vor einigen Jahrzehnten so gewesen sein, als die Einwanderer noch "Gastarbeiter" genannt wurden und ihre Familien noch nicht mitgebracht hatten.

Der scheinbare Widerspruch zwischen den Rangfolgen der Prozentzahlen wird als Simpson-Paradox bezeichnet. Es handelt sich aber um nichts anderes als einen Effekt der "unausgewogenen" Zusammensetzung eines Kollektivs: Wer sich fast nur Männer ins Land holt, darf sich nicht wundern, dass die Kriminalität steigt, auch wenn diese Männer gesetzestreuer sind als die schon vorhandenen!

Will man nun einen einzelnen eingewanderten und einen einzelnen inländischen Mann herausgreifen und eine Wette darauf abschließen, welcher von ihnen (wenn überhaupt) straffällig wird, dann lautet die Empfehlung auf Grund der Daten: Wetten Sie auf die Gesetzestreue des Einwanderers!

In der Anwendung auf solche Wetten (d.h. Nutzung der Statistik zur Prognose) gleicht die Situation dem Beispiel des Rätsels Profiplus: Die Zusammenfassung verfälscht das korrekte Ergebnis. Dagegen kann man den gleichen Effekt bei der lediglich beschreibenden Statistik nicht als Verfälschung, sondern nur als resultierend zur Kenntnis nehmen. Insofern sind die beiden Rätsel zum Simpson-Paradox nur zahlenmäßig von gleicher Struktur, nicht aber hinsichtlich der Interpretation (Beschreibung versus Prognose).

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.