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Löcherige Polyeder

kleines Rhombenkuboktaeder

Ein "kleines Rhombenkuboktaeder" (im Folgenden kurz: kRKO) wird von 18 Quadraten und 8 gleichseitigen Dreiecken begrenzt. An jeder Ecke gilt die Flächenfolge Dreieck-Quadrat-Quadrat-Quadrat (3,4,4,4). Insbesondere sitzt an jeder Seite eines Dreiecks ein Quadrat.

Das "große Rhombenkuboktaeder" (gRKO) wird von 6 regelmäßigen Achtecken, 8 regelmäßigen Sechsecken und 12 Quadraten begrenzt. Die Flächenfolge an den Ecken lautet Quadrat-Sechseck-Achteck (4,6,8).

großes Rhombenkuboktaeder

Man kann das kleine Rhombenkuboktaeder so ins Innere seines großen Kollegen setzen, dass jede der 24 Ecken des kleinen zu genau zwei der 48 Ecken des großen den gleichen Abstand hat, und zwar die allen Polygonen gemeinsame Kantenlänge.

Wie kann man in diesem Zwischenraum neue Polyeder mit nur einer einzigen Kantenlänge (!) erzeugen, die einen Tunnel oder mehrere sich kreuzende Tunnel haben?

Als Kuppel(-Polyeder) der Zähligkeit n, n=3, 4 oder 5, bezeichnet man ein Polyeder, dessen "Bodenfläche" aus einem regelmäßigen 2n-Eck besteht. An diesen "Boden" grenzen abwechselnd quadratische und (gleichseitig) dreieckige "Wände" (jeweils n Stück), die sämtlich nach innen geneigt sind. Die "Decke" ist dann nur noch ein regelmäßiges n-Eck, das an die Oberseiten der quadratischen Wände anschließt. Die Kuppeln zählen zu den den Johnson-Polyedern.

Aus welchen Kuppeln und möglicherweise anderen Polyedern besteht der Zwischenraum zwischen den beiden genannten Rhombenkuboktaedern?

Der Raum zwischen den beiden zueinander zentrierten und passend orientierten RKO gleicher Kantenlänge besteht aus 12 Würfeln sowie acht 3-zähligen und sechs 4-zähligen Kuppeln:

© mit frdl. Gen. von Norbert Treitz
© mit frdl. Gen. von Norbert Treitz

Einzelne dieser Würfel und Kuppeln kann man weglassen und ein zusammenhängendes Polyeder übrig behalten. Lässt man genau einen Würfel oder eine Kuppel weg, ist das Ergebnis zwar "hohl" im Sinne von "nicht konvex", hat aber keinen durchgehenden Tunnel. Also hat es noch die Topologie einer Kugel, wie beispielsweise ein becherförmig eingedrückter Ball, und damit die Euler-Charakteristik (Eckenzahl + Flächenzahl – Kantenzahl) 2.

Lässt man genau zwei Teile weg, beispielsweise zwei einander gegenüberliegende, so gibt es Polyeder mit Torus-Topologie, also mit einem durchgehenden Tunnel und der Euler-Charakteristik 0.

Man kann sogar, ohne Entartungen wie einsam stehende Wände zu erzeugen, alle Teile jeweils einer Art weglassen. Lässt man alle Würfel weg, bekommt man einen Korb mit 12 Öffnungen zu einem Hohlraum (der aber natürlich zum Außenraum des Polyeders gehört). Lässt man die 3-zähligen Kuppeln weg, sind es acht Öffnungen, und bei den 4-zähligen sind es sechs. Diesen Fall zeigen die folgenden Bilder (aus zwei Richtungen):

Dies sind nur wenige Beispiele aus der unerschöpflichen Zahl der Toroide. Sie sind nach Bonnie Stewart benannt, der in 40-jähriger Arbeit Tausende von ihnen gefunden hat, ohne an ein Ende zu kommen.

Wie kann man die Euler-Charakteristiken zueinander in Beziehung bringen, ohne jeweils nachzuzählen?

Wir wissen, dass die Bausteine (kRKO, Würfel und die Kuppeln) sowie das gRKO die Euler-Charakteristik 2 haben. Zwei ineinander liegende Polyeder haben damit eine Euler-Charakteristik 4. Das Herausschneiden einer Kuppel (oder eines Würfels) nimmt 2 Flächen weg und fügt gleich viele Kanten wie Flächen hinzu, ohne an der Anzahl der Ecken etwas zu ändern. Per saldo wird die Euler-Charakteristik durch jede Öffnung zwischen Innenraum und Außenraum also um 2 vermindert. Damit kommt der eingedellte Ball auf eine Euler-Charakteristik von 2, wie es für topologisch kugelförmige Polyeder ja auch sein muss, der Torus aber auf 0 und das Gebilde mit den 12 würfelförmigen Öffnungen auf –20 (!).

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