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Basiswissen: Astronomische Fotos ohne Teleskop

Sie möchten Bilder von astronomischen Objekten ganz ohne Fernrohr und Montierung aufnehmen? Das klingt nicht gerade spannend. Wie viele Sternspuraufnahmen kann man denn machen, ohne dass es langweilig wird?

Das waren meine Gedanken, als ich mit der Astronomie begann, als Teenager ohne fachkundige Freunde und mit einer nur dürftigen Auswahl einschlägiger Literatur aus der örtlichen Leihbücherei. Mein erster Schritt war damals, mich dem Teleskopbau zuzuwenden, aber das ist eine andere Geschichte. Seitdem sind 25 Jahre vergangen, und ich bin mittlerweile ein versierter Astrofotograf. Jedes Jahr kann ich meine Sammlung um hunderte Stunden Belichtungszeit erweitern. Niemals hätte ich mir als Teenager träumen lassen, dass ich die meisten dieser Aufnahmen ohne Fernrohr mache.

Sternchaos | Es gibt zahlreiche Probleme, die einem Astrofotografen auflauern, aber nicht alle haben solch »katastrophale« Auswirkungen, wie hier. Das Bild zeigt ein Sternfeld im Schwan, bei dem während der Belichtung gezoomt wurde.
Die Astrofotografie ohne Teleskop und Montierung ist erstaunlich einfach und kann sich dennoch lohnen. Allein mein fehlender Einfallsreichtum als Jugendlicher hielt mich davon ab, ihr ungeheures Potenzial zu erkennen. Es vergeht kaum ein Jahr, in dem ich nicht von neuen Techniken höre, mit denen man beeindruckende Himmelsaufnahmen mit einer gewöhnlichen 35-Millimeter-Spiegelreflexkamera machen kann.

Die Hardware

Noch vor ein paar Jahren galt, dass keine 35-Millimeter-Kamera zu einfach oder zu komplex für die Astrofotografie ist. Heute ist das nicht mehr so. Die vollautomatischen Schnappschusskameras, bei denen man nur noch zielen und abdrücken muss – und das sind die Modelle, die heutzutage am häufigsten verkauft werden – sind für die Astrofotografie ungeeignet. Ich kenne kein Modell bei dem es möglich ist, den Verschluss für Langzeitbelichtungen offen zu halten. Doch gerade diese Funktion ist für das kreative Fotografieren unerlässlich, so dass sie bei künftigen Automatikkameras sicherlich wieder zu finden sein wird. Diese Fotoapparate werden mit jeder neuen Produktgeneration den Spiegelreflexkameras vom Funktionsumfang immer ähnlicher werden.

Kameratypen | Zwischen der Hasselblad (rechts) und der vierzig Jahre alten primitiven Kodak Boxkamera (links) liegen in technologischer Hinsicht Welten. Beide eignen sich jedoch für die Astrofotografie, da man mit beiden Geräten Langzeitbelichtungen machen kann. Falls jemand die Boxkamera müde belächelt, möge er ihre erstaunlich gute Abbildungsqualität beachten, die in dieser einstündigen, nachgeführten Aufnahme des Sternbildes Leier deutlich wird (Abbildung rechts, der helle Stern rechts oben ist Wega.)
Abgesehen von vollautomatischen »Knipps-Klick-Apparaten« eignet sich so gut wie jede Kamera für die Astrofotografie. Die Spanne reicht dabei von einer Hasselblad, die mit einem Weitwinkelobjektiv und anderen Extras auf einen Verkaufspreis von über 7000 Euro kommt, bis hin zu einer Kodak Boxkamera, die man für den Preis eines handelsüblichen Farbfilms auf Flohmärkten finden kann. Die wichtigste Funktion, die beiden gemein ist, ist die Aufnahme von Bildern mit frei wählbarer Belichtungsdauer.

Die meisten Leser besitzen wahrscheinlich schon eine Kamera, die irgendwo zwischen den beiden Preisextremen liegt. Falls Sie aber noch keine haben und einen Kauf in Erwägung ziehen, sollten Sie auf ein paar Dinge achten. Das Wichtigste neben der manuellen Langzeitbelichtung ist, dass die Blendenöffnung mechanisch und nicht elektrisch funktioniert, also unabhängig von der Batterie des Fotoapparats. Dies ist bei den heutigen elektronischen Kameras sehr selten. Das Problem mit rein elektronisch gesteuerten Verschlüssen ist, dass sie während der Langzeitbelichtungen den wertvollen Batteriestrom der Kameras aufbrauchen. Außerdem erhöhen Nachtkühle und Winterkälte die Batteriebelastung. Die Folge ist, dass der Verschluss nicht lange genug oder überhaupt nicht öffnet, ein Defekt, der auf wundersame Weise verschwindet, wenn die Kamera wieder in die warme Stube zurückgebracht wird.

Es kann sein, dass Sie in einigen Läden oder Elektronikmärkten Schwierigkeiten haben, Kameras mit diesem Anforderungsprofil zu finden. Fragen Sie den Verkäufer mal nach der altehrwürdigen Pentax K-1000. Sie ist vollständig mechanisch und eine exzellente Wahl für die Astrofotografie. Meine Frau hat noch eine aus den 1970ern. Diese einfache Kamera mit einem 50-Millimeter-1:2-Objektiv erzeugt selbst bei voller Öffnung sehr scharfe Sternbilder. Bei vielen Kameras muss die Blende etwas verkleinert werden, damit die Abbildungsqualität an den äußeren Bildrändern ausreichend gut ist. Die K-1000 ist darüber hinaus durch ihr Preis-Leistungs-Verhältnis attraktiv.

Eine günstige Quelle, die man nicht außer Acht lassen sollte, ist die Second-Hand-Vitrine im örtlichen Fotoladen oder Elektronikmarkt. Man kann dort voll funktionsfähige Kameragehäuse und einwandfreie Objektive günstig erwerben, die von Leuten in Zahlung gegeben werden, die auf Autofokus- oder Digitalkameras umsteigen. Nikon, Minolta, Olympus, Pentax, Canon und andere Firmen haben in der Vergangenheit hervorragende mechanische Fotoapparate auf den Markt gebracht.

Die meisten der heutigen Kameras haben im Sucher elektronische Datenanzeigen auf LED-Basis (lichtemittierende Dioden). Hier ist wichtig, dass die LEDs bei Langzeitbelichtungen ausgeschaltet werden können. Denn eine leuchtende LED trägt nicht nur zum Batterieverbrauch bei, sondern es gelangt von ihr oft Streulicht auf den Film, so dass die Bilder vernebelt aussehen. Dies war auch bei meiner alten Minolta XD-11 der Fall. Da diese Kamera aber mechanische Langzeitbelichtungen erlaubt, kann man einfach die Batterie herausnehmen. Problem gelöst!

Die einzigen anderen für einfache Astrofotografie unerlässlichen Gegenstände sind ein Dreibein-Stativ und ein Fernauslöserkabel mit Arretierung. Es geht zur Not aber auch ohne: Ich stelle meine Kamera schon mal auf Steine, Zaunpfähle oder ein zugefrorenes Vogelbad und drücke den Auslöser sachte mit meinem Finger nach unten.

Der Film

Es ist für einen Anfänger zunehmend schwieriger geworden, den richtigen Film für die Astrofotografie auszuwählen. In vielen Fotoläden steht der Kunde Wänden von Filmschachteln gegenüber. Es vergeht kaum ein Monat, in dem nicht einer der großen Filmhersteller eine neue oder verbesserte Emulsion herausbringt. Trotz alledem habe ich wunderschöne Himmelsaufnahmen auf fast allen kommerziell erhältlichen Filmen gesehen, selbst auf denen, die man eigentlich für ungeeignet hält, zum Beispiel eine Polarlichtaufnahme auf Kodaks altem kontrastreichem Papierfilm mit unglaublich langsamen Iso 6/9 (6 Asa / 9° Din).

Ein guter Ausgangspunkt für die Astrofotografie ist ein 400/27er-Film. Die Körnung ist gerade noch klein genug und die Empfindlichkeit schon hoch genug für schwache Sterne. Ob Sie Negativfilme für Papierabzüge oder Positivfilme für Dias wählen, ist Ihnen überlassen. In den letzten Jahren tendierte ich mehr zu Negativfilmen, da sie einen größeren Belichtungsspielraum haben. Dies gilt sowohl für Farb- als auch Schwarzweißfilme. Um das Optimum aus einem Negativfilm herauszuholen, muss man im Fotoladen auf manueller Entwicklung bestehen, und das ist nicht bei jedem Labor möglich. Auch hierbei muss ich sagen, dass ich schon ein paar sehr gute Farbbilder gesehen habe, die von Ein-Stunden-Fotoshops entwickelt wurden. Negativfilme erlauben auch mehr Vergrößerungsformate. Aber auch das erfordert einen fachkundigen Händler – oder eine heimische Dunkelkammer. In dem Zusammenhang kann übrigens die Mitgliedschaft in einer örtlichen Volkssternwarte oder einem lokalen Fotografierclub mit eigenem Labor vorteilhaft sein.

Um dem Labor eine Hilfestellung für das Entwickeln zu geben, sollte man jeden neuen Film mit einer Tageslicht- oder Blitzlichtaufnahme beginnen. Ohne eine solche Aufnahme ist es besonders für Laborautomaten schwierig, Bildränder zu erkennen, die sich bei astronomischen Aufnahmen nur schwer vom dunklen Hintergrund abheben. Die Folgen können verheerend sein, wenn der Film zum Verschicken in Streifen oder bei Dias für die Rahmung in Einzelbilder zerschnitten wird. Um ganz sicher zu gehen, gebe ich deshalb auf dem Entwicklungsauftrag immer an, dass mein Film nicht zerschnitten werden soll und mache dies nachträglich selbst.

Das Motiv

Welche Objekte können Sie mit einer Kamera ohne sonstige Ausrüstung fotografieren? Sternbilder sind ein guter Anfang. Eines der Probleme dabei ist, den Apparat im Dunkeln richtig auszurichten. Normalerweise sind nur die hellsten Sterne im Sucher sichtbar. Aber es gibt einen Trick, der mir immer hilft. Nachdem Ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt, also "adaptiert" sind, können Sie die Umrisse Ihrer Hand am Nachthimmel erkennen, wenn Sie durch die Kamera schauen. Um zu überprüfen wohin die Kamera zeigt, schauen Sie durch den Sucher und bewegen Ihre Hand vor der Linse, bis sie den Rand des Sichtfelds erreicht. Nun heben Sie Ihren Blick gerade so weit, dass Sie über die Kamera schauen und Ihre Hand vor dem Himmel sehen. Dies ist der Rand des Bilds, das Sie durch die Kamera aufnehmen würden. Sie können diese Prozedur für jeden Bildrand wiederholen. Wenn Ihre Kamera auf ein Stativ montiert ist, formen Sie aus Daumen und Zeigefinger einen rechten Winkel und markieren Sie so mit beiden Händen gegenüberliegende Ecken des Bildausschnitts.

Wählen Sie am Objektiv die größte Öffnung (kleinste Blendenzahl) und machen Sie eine Belichtugsserie von 15 Sekunden bis 2 Minuten, wobei Sie bei jeder Aufnahme die Belichtungszeit verdoppeln. Die tägliche Himmelsbewegung bewirkt natürlich, dass die Sterne als Striche auf dem Film abgebildet werden. Die Länge dieser Spuren hängt von mehreren Faktoren ab. Die Länge einer Sternspur auf dem Film in Millimetern ergibt sich aus der Formel

     l = t f cosδ / 13750     

Hier ist t die Belichtungszeit in Sekunden, f die Objektivbrennweite in Millimetern und δ die Deklination des Sterns. Objekte in der Nähe des Himmelsäquators (δ = 0 Grad) scheinen sich am schnellsten und solche in der Nähe der Himmelspole am langsamsten zu bewegen. Teleobjektive verlängern die Sternspuren, da sie effektiv die Himmelsbewegung auf dem Film vergrößern, wohingegen Weitwinkelobjektive sie verkleinern.

Was auf dem Negativ als kleine Spur erscheint, wird deutlich länger, wenn das Negativ zum Bild vergrößert oder als Dia an die Wand projiziert wird. Trotzdem zeigen die hier abgebildeten Aufnahmen, dass man interessante Effekte erzielen kann, selbst wenn die Sterne sichtbare Spuren haben. Falls Sie lange Spuren wollen, ergibt sich eine Grenze für die Belichtungszeit aus der Helligkeit des Himmelshintergrunds. Mondlicht, Airglow (Strahlung von Gasen der oberen Atmosphärenschichten) und ganz besonders die örtliche Lichtverschmutzung sind dabei Faktoren, die je nach Standort stark variieren können.

Machen Sie deshalb einige Testbelichtungen. Von meiner Wohnung am Rand von Bostons Licht- und Dunstglocke kann man bei einer guten Nacht mit bloßem Auge Sterne bis fünfter Größe erkennen. Meine Faustregel ist, dass diese Bedingungen eine einstündige Belichtung auf einem 1000/31er-Film bei Blende 11 erlauben. Um dasselbe Bild auf einem empfindlicheren Film aufzunehmen, muss man die Blende entsprechend verkleinern. Wenn man dagegen einen langsameren Film mit niedrigerem ISO-Wert benutzt, muss man die Blende vergrößern.

Genauso kann man bei einer kürzeren Belichtung die Blende vergrößern und damit mehr Licht pro Minute sammeln, ohne dass die Helligkeit des Himmelshintergrunds zum Problem wird. Aber ein Hinweis: Eine größere Blendenöffnung wird die maximale Belichtungszeit stärker herabsetzen, als es das größere Öffnungsverhältnis allein erwarten lässt. Der Grund ist, dass der so genannte Schwarzschildeffekt (benannt nach dem deutschen Astronomen, der dies als erster bei seinen Sternaufnahmen bemerkte) den Film weniger lichtempfindlich macht, je länger man ihn belichtet.

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