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Der größte Star unter den Urtieren ist ein Vogel

Dem einen ist er das Missing Link zur Untermauerung der Darwin'schen Abstammungslehre, dem anderen ein befiederter Dinosaurier, und einige wenige hielten ihn anfangs sogar für eine Fälschung: Archaeopteryx, das wohl berühmteste aller Fossilien, ist mit 150 Millionen Jahren der älteste Vogel überhaupt und bis heute weltweit nur aus Gesteinen der Gegend um Solnhofen (Bayern) bekannt. Ein großformatiges, reich bebildertes und wunderbar geschriebenes Buch widmet sich nun ausschließlich dieser Ikone der Wirbeltierpaläontologie.

Peter Wellnhofer, ehemaliger Hauptkonservator an der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie in München, war dienstlich für dieses bayerische Kulturgut verantwortlich. Seit mehr als 30 Jahren hat er aber auch seine Amtspflicht zur persönlichen Leidenschaft gemacht und kann daher gleichermaßen wissenschaftlich aus dem Vollen schöpfen wie aus dem Nähkästchen plaudern. Beides tut er in seinem neuen Werk ausgiebig, gut verständlich und unterhaltsam. Von den zehn bekannten Archaeopteryx- Skeletten, die im Verlauf der letzten rund 150 Jahre entdeckt wurden, hat Wellnhofer drei Exemplare selbst erstmals wissenschaftlich bearbeitet. Persönlich studiert hat er natürlich alle und mehr als 25 Fach- und Populärartikel hierzu verfasst, was ihn als den Spezialisten mit der wohl weltweit größten Erfahrung ausweist.

Es war das Ziel des Autors, sämtliche Informationen aus Hunderten von meist englischsprachigen, oft hoch wissenschaftlichen Einzelpublikationen zusammenzutragen und für ein breites Publikum aufzubereiten. Das ist ihm mit Bravur gelungen.

Der weniger vorinformierte Leser wird mit gut verständlichen Kapiteln zur Fundregion, den geologischen Fundschichten der Solnhofener Plattenkalke und deren Fossilien anschaulich in die Thematik eingeführt. Die folgenden mehr als 100 Seiten widmen sich ausgiebig den einzelnen Archaeopteryx- Funden. Wellnhofer weiß zu jedem der zehn Skelette sowie zu der fossilen Einzelfeder eine eigene Geschichte zu erzählen, unterhaltsam und mit Liebe zum Detail. Anekdoten zur Entdeckung und zu den Verkaufsverhandlungen, Berichte von Zeitzeugen, Zitate aus nicht publizierten Archivunterlagen sowie persönliche Erlebnisse des Autors bereichern jedes der Kapitel.

Die ausführlichen anatomischen Beschreibungen genügen höchsten wissenschaftlichen Ansprüchen. Für einen anatomisch nicht vorgebildeten Leser mögen sie zuweilen zu detailliert sein, erheben aber dadurch das Buch zu einem Nachschlagewerk auch für Fachspezialisten. Zum Ausgleich ist das gesamte Werk umfangreich und prächtig bebildert. Alle zehn Exemplare und das Einzelfeder-Fossil sind großformatig und farbig abgebildet; hinzu kommen Bilder der Steinbrüche, der Finder, der früheren Privatbesitzer, historische Abbildungen, Röntgen- und UV-Aufnahmen der Fossilien (Bild oben) sowie anatomische Detailzeichnungen des Autors. Zahlreiche der Bilder werden hier erstmals publiziert.

Wie sah das lebende Tier Archaeopteryx aus? Wie funktionierte sein Organismus? Wie gut konnte er fliegen? All diesen und weiteren Fragen widmet sich ein ausführliches Kapitel, in dem sämtliche alten und neuen Theorien und Ideen erläutert werden. Abgerundet wird das Buch mit interessanten und verständlich aufbereiteten Artikeln zum Ursprung und der frühen Evolution der Vögel und zur Entstehung des Vogelflugs sowie der Federn. Archaeopteryx hat zu diesen Fragen etliches beizutragen.

Dieses Werk, das an Vollständigkeit und Professionalität kaum zu überbieten ist, das durch die klare und schöne Sprache des Autors besticht und dessen Preis durch die hohe Qualität des Buches gerechtfertigt ist, ist ein "Muss" für jeden – vom Laien bis zum Spezialisten –, der sich für Fossilien, Paläontologie, Evolutionsbiologie oder einfach den Archaeopteryx interessiert. Bleibt zu hoffen, dass es bald eine englische Version geben wird, so dass dieses Meisterwerk weltweit gebührende Beachtung findet.

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  • Quellen
Spektrum der Wissenschaft 8/2008

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