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Einblicke in die Arbeit einer stellaren Archäologin

Anna Frebel hat eine wissenschaftliche Traumkarriere hingelegt: Noch während ihrer Doktorarbeit gelang ihr 2005 die Entdeckung von HE 1327-2326, dem bis dato metallärmsten bekannten Stern, zwei Jahre später fand sie außerdem mit HE 1523-0901 den ältesten bekannten Stern. Mittlerweile ist die junge deutsche Astronomin nicht nur Assistenzprofessorin am renommierten Massachusetts Institute of Technology, sondern auch unter die Autoren populärwissenschaftlicher Bücher gegangen.

Das Vorwort ihres Erstlingswerks "Auf der Suche nach den ältesten Sternen" verspricht uns einen sehr persönlich gehaltenen Blick hinter die Kulissen der aktuellen astronomischen Forschung. Diese persönliche Note muss im ersten Teil des Buchs aber zunächst zurückstehen. Frebel beginnt mit einem durchaus anspruchsvollen Überblick über die Entstehung des Universums und der ersten Sterne sowie der Arbeit eines stellaren Archäologen, der auf der Suche nach eben diesen ist. Dabei fallen nicht nur die gelungenen Analogien auf, die das Verständnis der beschriebenen Vorgänge erleichtern, sondern auch die comicartigen Illustrationen, die den Text ergänzen.

Während erstere dem Leser auch im weiteren Verlauf des Buchs immer wieder begegnen werden, haben letztere nur im ersten Kapitel ihren Auftritt und werden später durch deutlich ernsthaftere Grafiken und Skizzen abgelöst. Wer sich nach dem ersten Rundumschlag fragt, was denn als nächstes kommt, landet mit Kapitel 2 in einem historischen Abriss, der mit Spektroskopie, Atom- und Kernphysik, Sternaufbau und Kosmologie all die Bereiche aus Astronomie und Physik abdeckt, auf denen die stellare Archäologie basiert. Dabei fällt allerdings hier und da die Erläuterung des einen oder anderen Fachbegriffs unter den Tisch, so dass man sich ohne Vorkenntnisse bisweilen etwas verloren vorkommen dürfte.

Ins Auge fallen außerdem einige kleinere Fehler, bei denen man zumindest teilweise davon ausgehen darf, dass sie vom Lektorat verschuldet worden sind, so wie die "Emissionslinien glühender Metalle" oder die "Neutronen hoher Dichte". Ähnliches begegnet einem hin und wieder auch in späteren Kapiteln. Kapitel 3 erläutert dann ausführlicher die bereits im vorangegangenen Kapitel behandelten Fusionsprozesse, aber auch die verschiedenen Entwicklungsstadien von Sternen und Charakteristika wie ihre Masse. Insbesondere dort, wo konkrete inhaltliche Wiederholungen auftreten, dürfte sich der Leser allerdings fragen, wozu er denn überhaupt das zweite Kapitel gelesen hat.

Dasselbe Gefühl beschleicht einen bei der Lektüre des vierten Kapitels erneut, in dem die Lebenswege eines Sterns mit Schwerpunkt auf den Endstadien detailliert behandelt werden. Auch hier werden Inhalte nochmal vertieft, die teilweise in den vorangegangenen Kapiteln schon einmal betrachtet wurden, sogar "Nebenkriegsschauplätze" wie die Verleihung des Physik-Nobelpreises 2011 an Perlmutter, Schmidt und Riess. Mit dem fünften Kapitel endet diese Sequenz immer stärker spezialisierter Kapitel. Hier werden die Prozesse zur Entstehung der schweren Elemente beleuchtet und das Prinzip der Chonometrie erläutert. Wir nähern uns nun offenbar dem eigentlichen Thema der Arbeit Frebels, denn nach der Schilderung des Treffens mit Margaret Burbidge in Kapitel 2 finden sich im zweiten Teil des Kapitel auch wieder persönliche Erlebnisse der Autorin.

Kapitel 6 schlägt einen Bogen zurück und widmet sich zunächst dem Aufbau der Milchstraße, behandelt aber auch Zwerggalaxien und ihre Bedeutung für die stellare Archäologie sowie Sternhaufen. Das folgende Kapitel dagegen konzentriert sich voll und ganz auf die Methoden, mit denen Astronomen heutzutage tagtäglich arbeiten. Während dabei der beobachterische Aspekt im zweiten Teil des Kapitels schon fast als Erlebnisbericht daherkommt, werden Datenauswertung und Elementhäufigkeitsanalyse eher unpersönlich dargestellt. An dieser Stelle hätte ich mir weitere Blicke über die Schulter der Autorin gewünscht, schon um der gängigen Vorstellung vorzubeugen, dass Astronomen nur nachts am Teleskop arbeiten. Kapitel 8 beschreibt solche Beobachtungsnächte und auch die Probleme, die einem dabei über den Weg laufen können, und das mehr oder weniger in Romanform.

Im neunten Kapitel dagegen kehrt Frebel wieder zu einem sachlicheren Stil zurück und widmet sich der Frage nach dem Verbleib der wirklichen ersten Sterne im Universum und den Eigenschaften ihrer Nachfolger, die man heute noch beobachten kann. Durch die vielen betrachteten Elementhäufigkeitsverhältnisse wird der Text aber stellenweise etwas unübersichtlich. Hinzu kommt, dass sich Fehler in die Bildunterschriften der zugehörigen Grafiken eingeschlichen haben (die gestrichelten Linien stehen mitnichten für solare Verhältnisse).

Im Anschluss erfährt der Leser, wie der metallarme Stern HE 1327-2326 entdeckt wurde – angesichts der Schilderung des Buschfeuers, welches das australische Mount-Stromlo-Observatorium zerstörte, liest sich Kapitel 10 stellenweise wie ein Abenteuerroman. Dann schließt sich der Kreis: Mit der – wiederum sachlichen – Beschreibung von Simulationen zur Bildung von Strukturen im Kosmos, der Entstehung von Galaxien und der ersten Sterne kehren wir zum Anfang zurück, natürlich nicht ohne einen Ausblick auf die Erwartungen, welche die stellaren Archäologen an die nächste Generation von Großteleskopen und kommende Himmelsdurchmusterungen haben.

Tatsächlich gelingt es Anna Frebel, ihren Lesern einen Einblick nicht nur in ihr Fachgebiet und damit eine der zentralen Fragen der modernen Astronomie – nämlich wie sich die ersten Sterne gebildet haben und welche Eigenschaften sie hatten – sondern auch in die Arbeitsweise der zeitgenössischen Himmelskunde zu verschaffen. Die Herangehensweise, insbesondere das Vertiefen bereits behandelter einzelner Themen wie in den ersten Kapiteln und die oftmals deutliche Trennung der in sachlichem Stil verfassten Abschnitte von den persönlichen Erlebnissen ist aber etwas gewöhnungsbedürftig.

  • Quellen
Sterne und Weltraum 2/2013

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