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Knuspriges Mundgefühl, Perfekter Sound

Martin Lindstrom gründete mit zwölf Jahren seine erste Werbeagentur, arbeitete später unter anderem für Disney, Mercedes-Benz und McDonald’s und wurde 2009 vom US-Magazin "Time" zu den 100 einflussreichsten Menschen der Welt gezählt. Zuletzt veröffentlichte er die Ergebnisse einer eigenen Studie mit mehr als 2000 Probanden in seinem Bestseller "Buyology": Demnach stimmen die Produktvorlieben, die Konsumenten in Umfragen angeben, häufig nicht mit jenen überein, die sich aus ihrer Hirnaktivität erschließen lassen.

In diesem Band zieht Lindstrom nun die Neurobiologie erneut zu Rate – diesmal, um zu erklären, "warum wir starke Marken fühlen, riechen, schmecken, hören und sehen können". Zu Recht kritisiert der Autor, Markenmanager hätten sich jahrelang vor allem auf die optische Gestaltung von Produkten konzentriert, obwohl die menschliche Wahrnehmung bekanntlich fünf Modalitäten umfasse.

Lindstrom greift mit dem so genannten multisensorischen Marketing einen Trend auf und erlaubt dem Leser einen Blick hinter die Kulissen der Markenführung. Er berichtet, mit welchen oft einfallsreichen Methoden Unternehmen versuchen, ihre Produkte über mehrere Sinneskanäle im Gedächtnis der Konsumenten zu verankern. So entwickelte ein dänisches Labor für das Unternehmen Kellogg’s besonders knusprige Cornflakes, damit die Konsumenten die Marke an der Kombination aus Kaugeräusch und Mundgefühl erkennen können. Daimler- Chrysler ließ wiederum den "perfekten Sound" für das Klacken einer Autotür entwickeln, und Rolls-Royce analysierte den Geruch seiner alten Schlitten, um ihn künstlich unter den Sitzen von neuen Modellen aufzutragen.

Einen anschaulichen Beleg dafür, dass die sensorischen Reize auch zum Produkt passen müssen, liefert der Misserfolg eines Reinigungsmittelherstellers: Als die Firma den beißenden chemischen Geruch ihres Fußbodenreinigers durch Rosenduft ersetzte, brach der Absatz ein – der ursprüngliche Geruch hatte den Konsumenten signalisiert, dass das Putzmittel seinen Zweck erfüllte.

Leider sind einige dieser Beispiele veraltet und jedem hinlänglich bekannt, der sich mit dem Thema Markenführung schon einmal beschäftigt hat. Noch dazu bietet Lindstrom zuweilen wenig überzeugende Fallbeispiele auf: Er lobt etwa die "triumphale Siegesstory" der Marke Nokia in den höchsten Tönen, obwohl man hier angesichts der gegenwärtigen Situation des Konzerns kaum von einem erfolgreichen Brand Management sprechen kann.

Noch dazu versäumt es Lindstrom, den neurobiologischen Hintergrund differenziert darzulegen. Das Speichern von Gefühlen, Werten und Erinnerungen im menschlichen Gehirn sei im Prinzip »mit einem altmodischen Videorekorder zu vergleichen«: Während dieser allerdings nur zwei separate Spuren für Bild und Ton kenne, enthielten menschliche Gedächtnisspuren weitaus mehr Daten, "als man sich vorstellen kann", und könnten "auf Knopfdruck" vor- und zurückgespult werden.

Nur seinem jugendlich-enthusiastischen Jargon und den amüsanten Anekdoten ist es zu verdanken, dass die Lektüre bei oberflächlichem Lesen stellenweise inspirierend wirkt. Immerhin öffnet Lindstrom jenen Lesern, die sich das erste Mal mit diesem Thema befassen, die Augen, Ohren und Nase – für eine Welt, die uns im Alltag häufig beeinflusst, ohne dass wir es ahnen.

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  • Quellen
Gehirn&Geist 6/2011

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