»33 erstaunliche Lichtblicke«: Wissenschaft, die Mut macht
Beim Blick auf die Sachbücher der letzten Monate und vielleicht sogar Jahre fällt auf, wie viele von ihnen negative Befunde und düstere Prognosen ins Zentrum rücken. Gerade wenn es um das Klima geht, werden oft vor allem Schreckensszenarien skizziert. Der Wissenschaftsjournalist Axel Bojanowski hat populärwissenschaftliche Bücher zur Klimaforschung vorgelegt und kennt daher durchaus auch die Risiken des Klimawandels. Im vorliegenden Buch macht er anhand konkreter Beispiele aber Mut, indem er zeigt: Es gibt viele erfreuliche Entwicklungen, die wir aber oft gar nicht kennen oder einfach vergessen haben.
Als Einstieg wählt der Autor neun Fragen, die der Mediziner und Katastrophenforscher Hans Rosling Journalisten, Politikern oder Wirtschaftsvertretern gestellt hat – etwa »Wie hoch ist weltweit der Anteil der Mädchen in armen Staaten, die eine Grundschule besucht haben?«, »Wo lebt die Mehrheit der Weltbevölkerung?« oder »Wie hat sich die Anzahl von Todesfällen, die jährlich durch Naturkatastrophen verursacht werden, in den vergangenen hundert Jahren verändert?«. Viele der Befragten lagen in puncto Treffsicherheit mit ihren spontanen Antworten kaum über dem Niveau, das sich durch unüberlegtes Raten erreichen lässt – was mit der Bemerkung »Fragen, die Schimpansen besser beantworten als Politiker« quittiert wird. Die Leser dieses Buchs dürften bei Fragen wie diesen erfolgreicher abschneiden.
Bojanowski widmet sich Themenkreisen wie »Leben«, »Wirtschaft«, »Medizin«, »Wetter und Klima«, »Umwelt« und »Tiere«. Dabei behandelt er einzelne Fragen auf jeweils wenigen Seiten. Als roter Faden dient ihm dabei eine Erkenntnis: Die Welt und das Leben der Menschen haben sich in den letzten 100 bis 200 Jahren sehr stark verändert – und wir neigen dazu, viele der positiven Entwicklungen als selbstverständlich hinzunehmen.
So ist in vielen Teilen der Welt heute flächendeckend die Versorgung mit Gas oder Strom sowie mit Trinkwasser gewährleistet. Kläranlagen verhindern die Ausbreitung von Krankheiten und lassen selbst Großstädte hygienisch erscheinen. All das war vor nicht allzu langer Zeit undenkbar. Insgesamt sind die Fortschritte bei Ernährung und Hygiene sowie in der modernen Medizin kaum zu überschätzen – was insbesondere der Rückgang der Kindersterblichkeit belegt. Noch im 19. Jahrhundert starb in Deutschland jedes zweite Kind recht früh – ein Wert, der übrigens weitgehend unabhängig vom sozialen Status der Familien galt. Die moderne Medizin, ihre diagnostischen Möglichkeiten, die Entwicklung von Medikamenten und die Einführung von Impfungen haben die Lebenserwartung signifikant gesteigert und die Lebensqualität deutlich verbessert.
Energie als Fundament unserer Zivilisation
Das trifft auch auf andere zentrale Lebensbereiche zu. In vielen Regionen der Erde verfügen Häuser heute in praktisch allen bewohnten Gebieten über Heizungssysteme, warmes Wasser und Stromleitungen, auf die dann auch die technischen Geräte unseres Alltags angewiesen sind – und wer wollte etwa auf Aufzug, Bügeleisen, Handy, PC, Kaffee- oder Waschmaschine verzichten? Hinzu kommen umfangreiche Kommunikationsnetze; zunächst in der Telegrafie, später über Telefonverbindungen und das weltumspannende Internet. Unsere gesamte moderne und inzwischen auch digital gesteuerte Infrastruktur hängt ebenfalls von der Versorgung mit elektrischem Strom ab. Dessen Siegeszug begann im 19. Jahrhundert, als mit Dampf- oder Wasserkraft betriebene Kraftwerke den Strom für den Betrieb von Maschinen in Industrie und Handwerk lieferten und das elektrische Licht Einzug in die Wohnhäuser hielt. Heute lässt uns ein länger dauernder Stromausfall immer wieder spüren, wie sehr unser Alltag auf einer zuverlässigen Energieversorgung basiert.
Ähnliches gilt für unseren Zugang zu Lebensmitteln. Hier sind es nationale und internationale Produktionsketten sowie ausgeklügelte Transportwege von Nahrungs- und Genussmitteln, die nicht nur die Grundversorgung sichern, sondern eine enorm abwechslungsreiche und gesunde Ernährung ermöglichen. All dies nehmen wir oft einfach so hin, anstatt uns bewusst zu machen: Es handelt sich hier um einen »Komfort, den kein König vor 200 Jahren auch nur annähernd hätte genießen können«. Wir bestaunen den Bau der Pyramiden als Weltwunder und betrachten Museen, Schlösser, Klosteranlagen und ähnliche Bauwerke als Weltkulturerbe – aber die hochtechnisierten und komplexen Erfindungen, »die den Luxus unseres Alltags erlauben, […] finden selten Erwähnung«.
Auch kulturelle Errungenschaften nimmt Bojanowksi in den Blick. Vor etwa 200 Jahren waren gut 90 Prozent aller Menschen Analphabeten; heute beherrschen mehr als 90 Prozent der Weltbevölkerung das Lesen und Schreiben. Der Zuwachs an Bildung und die Tatsache, dass er nicht auf eine Minderheit beschränkt blieb, waren entscheidende Voraussetzungen für die Entwicklungen der letzten 100 Jahre. Auch heute hängen die Wirtschaftsleistung und der Wohlstand eines Staates maßgeblich davon ab, wie umfassend die Menschen in ihm Zugang zu Bildung haben.
Die Themen des Buchs sind vielfältig, sein Text ist informativ und kurzweilig geschrieben. Die Informationen werden durch viele übersichtliche Grafiken veranschaulicht, die dabei helfen, den jeweiligen Sachverhalt einzuordnen. »33 erstaunliche Lichtblicke« ist ein lesenswertes Buch, das zeigt: In unserem heutigen Leben ist – trotz vieler Probleme – nicht alles schlecht, sondern, im Gegenteil, vieles deutlich besser als in der vermeintlich guten alten Zeit.
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