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Nichts ist mehr so, wie es einmal war

Die Anschläge des 11. September 2001 setzten viele folgenreiche Ereignisse in Gang: vom US-amerikanischen Krieg gegen den Terror über Guantanamo bis zum Patriot Act, der die Rechte der Bevölkerung einschränkt.

So gut wie jede Person auf der Welt, die alt genug ist, weiß, was sie an diesem Tag vor 20 Jahren gemacht hat. Denn am 11. September 2001 veränderten Terroranschläge den Lauf der Welt: Mitglieder von Al-Qaida entführten insgesamt vier Flugzeuge, zwei davon ließen sie in die Türme des damaligen World Trade Center stürzen, eines auf das Pentagon. In der letzten Maschine wehrten sich die Passagiere und brachten sie über einem Feld in Virginia zum Absturz. An jenem Tag starben 2996 Menschen.

Krieg gegen den Terror

Anschließend sollte sich vieles ändern: Die USA ziehen gegen Afghanistan in den Krieg und beschließen den Patriot Act, der es dem Staat erlaubt, seine Bürger zu überwachen und Terrorismusverdächtige ohne Prozess beliebig lange zu inhaftieren. Zudem errichten sie das Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba, in dem es zu Folterungen kommt. Viele Staaten auf der Welt folgen dem Beispiel und beteiligen sich an der militärischen Intervention in Afghanistan und verabschieden ähnliche Gesetze, welche die Rechte der Bevölkerung einschränken.

Der französische Journalist Baptiste Bouthier und die Illustratorin Héloïse Chochois zeichnen in ihrer Graphic Novel »9/11 – Ein Tag, der die Welt veränderte« die furchtbaren Ereignisse nach. Sie schildern, wie Rettungskräfte der New Yorker Feuerwehr, Mitarbeiter des World Trade Center, Journalisten vor Ort und sogar der damalige Präsident George W. Bush die Anschläge wahrnahmen. Sie stützen sich dabei auf Berichte der Überlebenden. Protagonistin des Comics ist aber eine heute 33-Jährige Juliette, welche die Geschehnisse am 11. September 2001 als Heranwachsende in Frankreich mit Angst und Schrecken verfolgte.

Die Zeichnungen sind detailreich und schaffen eine düstere Atmosphäre. Dabei gelingt es Bouthier und Chochois, die Leserschaft mitzureißen und in die spannende Erzählung eintauchen zu lassen. Sie liefern nicht nur sachliche Zahlen und Fakten, sondern vermitteln auch die Gefühle und Emotionen der Menschen: die Verzweiflung der Rettungskräfte, denen bewusst wird, dass sie vielen der Menschen in den einstürzenden Türmen nicht helfen können, ebenso wie die Verunsicherung der Bevölkerung auf der ganzen Welt – selbst im so weit entfernten Frankreich.

Die Autoren berichten zudem über die Folgen der Anschläge: wie westliche Demokratien Gesetze verabschieden, die es ihnen ermöglichen, ihre Bevölkerung zu überwachen. Über die Kriege, welche die USA in ihrem Kampf gegen den Terror führen – den Einmarsch in Afghanistan 2001 und die Entmachtung der Taliban sowie zwei Jahre später den Einmarsch in den Irak, wo die US-Soldaten Saddam Hussein stürzen. Dabei verschweigen Bouthier und Chochois nicht, dass diese Handlungen die Region im Nahen Osten ins Chaos stürzten. Selbst heute, 20 Jahre später, sind die Gebiete von politischer Stabilität weit entfernt wie die jüngsten Ereignisse in Afghanistan zeigen.

Auch über die islamistisch motivierten Terroranschläge der Folgejahre schreiben die Verfasser: etwa das Attentat auf den Madrider Bahnhof 2004 oder den Nachtclub Bataclan in Paris 2015. Dabei weisen sie darauf hin, gerade der »Krieg gegen den Terror« der USA und anderer Beteiligter habe dazu geführt, dass sich Terrorgruppen wie der Islamische Staat gründeten und einen solchen Einfluss gewinnen konnten.

Mit ihrer informativen und spannenden Graphic Novel ist es Bouthier und Chochois äußerst gut gelungen, die schrecklichen Ereignisse aufzuarbeiten. Dabei legen sie ein besonderes Augenmerk auf die zahlreichen Helfer und Rettungskräfte in New York City, von denen im Anschluss viele an Krebs oder schweren Atemwegsproblemen infolge des vielen Staubs bei den Aufräumarbeiten erkrankten. Da die Geschichte häufig aus der Sicht einer französischen Heranwachsenden geschildert wird, liegt an manchen Stellen der Fokus auf Frankreich: etwa bei der Rede des damaligen französischen Außenministers Dominique de Villepin 2003 vor der UNO, in der er sich gegen eine Beteiligung seines Lands am Irak-Krieg aussprach.

Insgesamt ist der liebevoll gestaltete Band durch und durch empfehlenswert – er liefert zwar keine neuen Inhalte, doch er gibt die historischen und politischen Geschehnisse der letzten 20 Jahre zu diesem Thema auf interessante Weise wieder. Und obwohl Comics nur wenig Text zur Verfügung steht, schafft es »9/11« dennoch, viele Informationen zu vermitteln.

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