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Sciencefiction mit Hirn

Ein Sachbuch über die Natur und Zukunft unseres Geistes.

Jeff Hawkins verdiente als Mitbegründer von »Palm Computing«, einer der ersten Smartphone-Firmen des Silicon Valley, viel Geld. Damit erfüllte er sich später den Traum von einem eigenen Hirnforschungsinstitut. Unter dem Namen »Numenta« versammelte er eine Riege von Forschern, die die Funktionsweise des Gehirns zu entschlüsseln versuchen, um es dereinst technisch nachzubilden (das so genannte »reverse engineering«). Hier nun fasst Hawkins die gewonnenen Erkenntnisse sowie seine Sicht auf das Gehirn laienverständlich zusammen.

Denken als eine Art Bewegung

Das Buch gliedert sich in drei Teile, von denen allerdings nur der erste nah am Thema bleibt. Auf gut 100 Seiten leitet Hawkins anschaulich her, warum kortikale Kolumnen, aus denen beinahe die gesamte Großhirnrinde (Kortex) aufgebaut ist, alle höheren Funktionen des Geistes nach einem universellen Prinzip erbringen. Sie erschaffen Referenzrahmen, die die Lokalisation und die wesentlichen Eigenschaften von Sinnesinput wie auf einer gigantischen Landkarte verzeichnen. Diese Landkarten aktualisieren sich durch permanente Prognosen und Anpassungen zudem selbst. Deshalb, so Hawkins, sei Denken im Grunde nur eine andere Art von Bewegung.

Würde man den Kortex eines Erwachsenen flach auf einem Tisch ausbreiten, wäre er etwa so groß wie eine entfaltete Serviette. Bei einer Dicke von rund zwei bis drei Millimetern versammelt er zirka 150 000 vertikale Säulen, die besagten Kolumnen. In ihrer hochflexiblen Verschaltung und den dadurch ermöglichten sensomotorischen Prognosen sieht Hawkins das grundlegende Arbeitsprinzip unseres Geistes.

So faszinierend diese Idee ist, sie bleibt theoretisch – und statt eines Versuchs, sie zu untermauern, ist das, was nach diesen ersten 100 Seiten folgt, pure Sciencefiction. Zwar schreibt Hawkins, er wolle zeigen, was seine Theorie für die Zukunft der Intelligenz und der Menschheit bedeute. Doch nimmt er nur noch sporadisch Bezug auf die »tausend Hirne« vom Buchtitel.

Vielmehr spekuliert der Autor darüber, ob es je bewusste Maschinen geben kann (ja, meint er) und ob uns diese gefährlich werden könnten, indem sie den Menschen wahlweise unterjochen oder auslöschen (was er verneint). Sodann geht es um die Chance, außerirdische Intelligenz zu entdecken, unsere Spezies mittels Genmanipulation für jahrzehntelange Reisen ins All oder die Besiedlung anderer Planeten fit zu machen sowie um die Aussendung von Botschaften ins Universum, um unser Wissen weiterzutragen, wenn Homo sapiens längst ausgelöscht sein wird. Denn daran hat Hawkins offenbar kaum Zweifel: Überbevölkerung und Klimawandel brächten uns dem Ende der Menschheit bereits verdächtig nahe.

Hawkins hält intelligentes Leben in fernen Welten zwar für überaus wahrscheinlich. Doch wenn man das Alter des Universums auf sechs Stunden komprimiert, gibt es die bisherige menschliche Intelligenz (grob 10 000 Jahre) kaum eine 50stel Sekunde. Geradezu undenkbar, dass sich die verschiedenen Gäste auf der Party des intelligenten Lebens je über den Weg laufen, so kurz, wie sie vermutlich bloß vorbeischauen (von den immensen Distanzen einmal abgesehen). Dass wir uns auch nur annähernd so lange wie die Dinosaurier auf der Erde werden behaupten können, hält Hawkins für unplausibel. Schuld daran sei nicht der intelligente Kortex, sondern das primitive »alte Gehirn« darunter.

All das ist gut lesbar, ja inspirierend geschrieben, hat mit Hirntheorie und Neurowissenschaft letztlich aber wenig zu tun. Das Buch ist beseelt von der selbstbewussten Machermentalität der Tech-Elite. Bewusstsein? Wird sich aufklären! Fremde Planeten besiedeln? Let's do it! Das menschliche Erbgut verbessern? Klar, warum nicht!

Eine Portion Hybris gehört wohl dazu, solch ein Buch zu verfassen. Dennoch sollte man die Idee, dass flexibel anpassungsfähige Referenzrahmen der Problemlösemechanismus des Gehirns sein könnten, durchaus ernst nehmen und weiter verfolgen.

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