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Buchkritik zu »Ärzte, Heiler, Scharlatane«

Entschlackungskuren, Akupunktur, Bachblüten-Therapie und Homöopathie – alternative Heilverfahren haben Konjunktur, während der Unmut der Patienten mit der Schulmedizin wächst. Manfred Stöhr, Direktor der Klinik für Neurologie und klinische Neurophysiologie am Klinikum Augsburg, verspricht die angebotenen Heilverfahren kritisch zu prüfen, aber auch die Schwächen der Schulmedizin herauszupräparieren und – soweit möglich – die beiden Welten miteinander zu versöhnen. Tatsächlich liefert dieses Buch manchen Ansatz zur Konfliktbewältigung; aber gelungen ist dem Autor sein Vorhaben nicht. Zu übermächtig war sein Bedürfnis, einem großen Unmut Luft zu machen. Auf den ersten 65 Seiten polemisiert er gegen "vorrationale" Heilweisen, deren theoretische Konzepte zum Beispiel auf der Säftelehre der Antike stammen – es gibt keine Schlacken im Körper! – oder, wie bei der Homöopathie, auf Irrtümern ihres Begründers beruhen. Stöhr bedauert, dass die Erfolge der Schulmedizin zu wenig gewürdigt werden, schimpft dann aber auch über Berufskollegen, die den Menschen nicht als komplexes Wesen begreifen, das sich nur teilweise wissenschaftlich erfassen lässt. Weil viele Ärzte kaum noch über das Computertomogramm oder den Laborbericht hinausschauen können, verlören Patienten das Vertrauen, von den hohen und zum Teil unnötigen Kosten der Apparatemedizin ganz abgesehen. Nach dem allgemeinen Dampfablassen listet der Autor die alternativen Heilverfahren auf, beschreibt und kommentiert mehr oder weniger ausführlich ihre behaupteten Wirkmechanismen. Vieles wird hier noch einmal gesagt, oder besser: geschimpft. Auf den letzten zwanzig Seiten entwirft Stöhr dann einen "integrativen" Ansatz, das heißt, eine Erweiterung der Schulmedizin zur ganzheitlichen Medizin durch Integration "wertvoller" alternativer Heilweisen. Heraus kommt ein Katalog von Selbstverständlichkeiten: Das soziale und weltanschauliche Umfeld der Patienten sei einzubeziehen; oder der Erhaltung von Gesundheit müsse ein ebenso hoher Stellenwert eingeräumt werden wie der Behandlung von Krankheitssymptomen. Da erscheint es nur konsequent, dass der Autor von der Liste der "Alternativen" die Klassiker weiterempfiehlt: Entspannungstechniken gegen Stress und Schlaflosigkeit, Physiotherapie bei Bandscheibenerkrankungen, Akupunktur und einige Heilpflanzen, die ihre Wirksamkeit bereits unter Beweis gestellt haben wie das Johanniskraut bei Depressionen. Überraschend ist lediglich der Gedanke, auch spirituelle Heilverfahren bei chronischen, lebensbedrohlichen und psychosomatischen Leiden zu berücksichtigen, obwohl sie sich einem rationalen Zugang ebenso verschließen wie die verteufelte Homöopathie. Das Buch ist eine im Prinzip gute Übersicht über ein wichtiges Thema. Leider ist es zu einer Art überlangem Besinnungsaufsatz geraten und greift in der kritischen Analyse der Systeme zu kurz. Um Ärzten Denkanstöße zu geben, ist das Buch sicher gut geeignet, um Patienten zu informieren, zu sehr aus der subjektiven Sicht des Weißkittels geschrieben. Übrigens wären Illustrationen eine willkommene Auflockerung gewesen; ein straffes Lektorat hätte leicht den Platz dafür schaffen können.
  • Quellen
Spektrum der Wissenschaft 05/02

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