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»Afrika und die Entstehung der modernen Welt«: Afrika im Zentrum – kein »Kontinent ohne Geschichte«

Howard W. French leistet einen wichtigen Beitrag zur Korrektur der Rolle Afrikas bei der Entstehung der modernen Welt.
Afrikanischer Elefant

Der Autor Howard W. French war für verschiedene Medien als Auslandskorrespondent unterwegs, ehe er 1986 für die New York Times in Westafrika tätig wurde, später für The Times als Büroleiter für Mittelamerika und die Karibik arbeitete, dann auch in West- und Zentralafrika, Japan und China. Seit 2008 lehrt er im Rahmen einer Professur Journalismus an der Columbia University.

Nun ist sein Buch »Afrika und die Entstehung der modernen Welt. Eine Globalgeschichte«, das 2021 bei Liveright erschien, auch in der deutschen Übersetzung auf dem Markt. Das rund 500 Seiten lange Werk umspannt mehr als sechs Jahrhunderte und unterteilt sich in fünf Kapitel. Es schlägt einen Bogen von der Entdeckung Afrikas über den transatlantischen Sklavenhandel zu einer Neuwahrnehmung der Entstehung des modernen Zeitalters. Intensiv beleuchtet der Autor die Beziehung zwischen Afrika und Europa, ausgehend vom 15. Jahrhundert, aus der schließlich unsere Moderne hervorging. Dabei distanziert er sich deutlich von einer eurozentristischen Weltsicht und stellt den Kontinent Afrika in den Fokus.

Howard W. Frenchs Werk beginnt mit dem Satz: »Es wäre ungewöhnlich, wenn eine am falschen Ort begonnene Geschichte zu den richtigen Ergebnissen kommen würde.« Damit ist schon niedergeschrieben, was der Kern seines Buches ist. Es kann als eine Korrektur der Rolle Afrikas sowie der Afrikanerinnen und Afrikaner bei der Entstehung von Wirtschaftsstrukturen und politischen Entwicklungen in unserer modernen Welt gelesen werden. So zeichnet der Autor detailliert die Geschichte der Versklavung und des Sklavenhandels in Afrika nach und kommt zu dem Ergebnis, dass Europas Wohlstand und Macht auf dem Fundament der ökonomischen und politischen Beziehungen Europas zu Afrika aufbauen. Über Jahrhunderte fand der transatlantische Handel mit Sklaven statt. Sie bauten Zucker, Tabak und Baumwolle auf den Plantagen der Neuen Welt an. Ihre verbleibende Lebenserwartung nach der Verschleppung betrug aufgrund schlechtester Lebensbedingungen meist nur noch sieben Jahre oder weniger. Die Zahl der Afrikaner, die im Rahmen des Sklavenhandels nach Amerika gebracht wurden, wird auf zwölf Millionen geschätzt. Die Gesamtbevölkerung Afrikas lag in der Mitte des 19. Jahrhunderts bei zirka 100 Millionen.

French arbeitet heraus, dass der europäische wirtschaftliche Aufstieg somit nur durch eine brutale Ausbeutung Afrikas möglich war. Ausführlich legt er dar, dass die westlichen Nationen nur durch die Arbeitsleistung verschleppter Sklaven sowie durch die Ausbeutung afrikanischer Rohstoffe so mächtig werden konnten. Hier zitiert er Studien aus aktuellen Forschungsprojekten, die verdeutlichen, dass Afrika vor der europäischen Kolonialisierung kein »Kontinent ohne Geschichte« war, wie es lange fälschlicherweise publiziert wurde. Bereits in vorchristlicher Zeit existierten große Stadtverbunde mit einer blühenden Wirtschaft.

French geht außerdem auf die bis heute nachwirkenden traumatischen Folgen ein, die es hat, wenn ein Kontinent bei der Aufarbeitung von Geschichte übergangen wird bzw. ihm nicht die Rolle zugestanden wird, die historischen Fakten und Geschehnissen entspricht.

Auch seine eigene Geschichte beleuchtet French. Er selbst ist Kind afroamerikanischer Eltern. Seine inzwischen verstorbene Mutter hat Wurzeln in der Sklaverei Virginias. Unter seinen Vorfahren befinde sich ein Freund des dritten amerikanischen Präsidenten, so der Autor und schaut somit selbst auf ein vielfältiges Erbe. Howard W. Frenchs Buch ist hochkomplex, wie er selbst sagt. Wahrlich eine Globalgeschichte und damit eine anspruchsvolle Lektüre, die sich jedoch lohnt.

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