»Alien Earths«: An der Schwelle zu neuem Leben
Kaum ein anderes Feld der Astrophysik entwickelt sich so rasant wie die Erforschung extrasolarer Planeten. Innerhalb von drei Dekaden haben Astronomen aus einer Handvoll früher Entdeckungen knapp 6000 gemacht (Stand Sommer 2024) – wobei ständig neue Exoplaneten hinzukommen. Da sind Fragen wie die folgenden praktisch unvermeidlich: Gibt es andere erdähnliche Planeten? Womöglich mit einer Atmosphäre, die auch Leben ermöglicht? Die Autorin Lisa Kaltenegger forscht genau zu diesen Themen und nimmt ihre Leser mit auf die Suche nach neuen Planeten und außerirdischem Leben.
Das Buch ist in sieben Kapitel gegliedert. Kapitel eins eröffnet, dass wir vermutlich an der Schwelle dazu stehen, neues Leben zu entdecken. Das motiviert, sich mit den Fragen der folgenden Kapitel zu beschäftigen: Wie kann eine lebensfreundliche Welt aussehen (Kapitel zwei)? Was ist eigentlich Leben (Kapitel drei)? Und wie könnte man es finden (Kapitel vier)? In den Kapiteln fünf und sechs geht es um die zahlreichen Kandidaten an Exoplaneten, die bereits entdeckt wurden. Noch kennt man zwar keine exakte Kopie der Erde. Aber angesichts immer besserer Instrumente scheint es nur eine Frage der Zeit, bis ein Felsplanet in der bewohnbaren Zone seines Sterns entdeckt wird, der zudem die Abzeichen von Wasser und Sauerstoff in seinem Licht trägt. Kapitel sieben widmet sich schließlich einer kosmischen Sicht – und berührt die Frage, ob wir die Erde von der Ferne aus als bewohnbaren Planeten identifiziert hätten. Denn sie sah bei Weitem nicht immer so aus, wie wir sie heute kennen.
Der Text der einzelnen Kapitel hält sich jedoch nicht streng an diese Gliederung, und so springt man thematisch immer wieder mal hin und her. Der bekannte amerikanische Wissenschaftskommunikator Neil deGrasse Tyson würdigt auf dem Umschlag des Buchs seinen »erfrischenden Erzählstil«; ich hätte mir allerdings etwas mehr Stringenz gewünscht. Was »Alien Earths« aber auszeichnet, ist die Art und Weise, in der Lisa Kaltenegger das Persönliche mit dem Wissenschaftlichen verbindet. Immer wieder gibt es Einschübe, in denen sie ihren beruflichen Werdegang schildert. Von ihrer Kindheit auf dem österreichischen Land führte dieser sie schließlich an die Cornell University, wo sie heute als Gründungsdirektorin das Carl Sagan Institute leitet, das nach dem Pionier des Forschungsfeldes benannt ist (Carl Sagan, 1934–1996). Außerdem plaudert sie immer wieder über Begegnungen mit anderen Forschern und darüber, wie dies ihre Arbeit beeinflusst.
Fehler trüben den Gesamteindruck
Erstaunlich und weniger erfreulich sind einige ziemlich grobe Fehler, die der Autorin unterlaufen sind. Auf Seite 53 etwa behauptet sie, dass Saturn in etwa die Dichte von Zuckerwatte habe. Ein kurzer Faktencheck zeigt: Saturn ist mit rund 0,7 Gramm pro Kubikzentimeter zwar leichter als Wasser, aber doch rund 15-mal dichter als Zuckerwatte, die es nur auf rund 50 Milligramm pro Kubikzentimeter bringt. Noch gröber daneben liegt Kaltenegger auf Seite 73, wenn sie schreibt, dass das Schwarze Loch im galaktischen Zentrum die Bewegungen der Milchstraßensterne dirigiere. Das stimmt jedoch nur für Sterne in Entfernungen von wenigen Lichtjahren vom Zentrum, also dem innersten Bereich der rund 100 000 Lichtjahre messenden Milchstraße. Die allermeisten Sterne der Milchstraße kreisen gemeinsam in dem Gravitationspotential, das sie selbst erzeugen.
Ebenso hätte die Autorin an einigen Stellen etwas präziser sein dürfen. So erwähnt sie nirgendwo, dass Radioaktivität wichtig ist für die irdische Plattentektonik und den zugehörigen Vulkanismus (der wiederum ein wichtiger Bestandteil des Ökosystems Erde ist). Ebenfalls unerwähnt bleibt, dass bereits drei Jahre vor der mit dem Nobelpreis gewürdigten Entdeckung des Planeten um den Stern »51 Peg« (1995 durch Didier Queloz und Michel Mayor) Planeten um einen Pulsar bekannt waren (entdeckt von Aleksander Wolszczan und Dale Frail). Und an anderer Stelle klingt es so, als ob Carl Sagan gar den Treibhauseffekt entdeckt hätte.
Auch wären bei vielen Erläuterungen Abbildungen hilfreich gewesen. Stattdessen beschreibt Kaltenegger wissenschaftliche Diagramme konsequent in Worten – warum sie und der Verlag auf Illustrationen weitgehend verzichtet haben, erschließt sich kaum. Es gibt lediglich einige Schwarz-Weiß-Abbildungen im Stile eines Cartoons zu Beginn jedes Kapitels, die jedoch nur auflockernd wirken sollen und keinen Erklärungswert haben.
Insgesamt also ein Buch, das zwar nie langweilt, aber doch von etwas mehr Sorgfalt und Struktur profitiert hätte.
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