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»Alle gegen alle«: Warum wir alle so gut Auto fahren

Comedienne Lara Ermer gibt eine humorvolle Einführung ins Streiten. Sie verbessert die Diskussionsfähigkeit ihrer Leser, unterschätzt aber ihre Urteilskraft.

Die Spaltung der Gesellschaft ist seit einigen Jahren ein bestimmendes Thema in den Talkshows und Zeitungsartikeln des Landes. Immer wieder wird eine angemessenere Diskussionskultur gefordert – nicht nur mit Blick auf online veröffentlichte Posts und Kommentare, sondern immer häufiger auch auf Volksvertreter, etwa in Bundestagsdebatten.

Während sich das Thema für viele – auch aufgrund seiner Omnipräsenz – etwas verbraucht hat, ziehen andere daraus Material für ihre künstlerische Arbeit. So auch Lara Ermer. Die Autorin des vorliegenden Werks ist Schriftstellerin, Moderatorin und Comedienne. Sie hat ihr Buch aus der Ich-Perspektive und mit einer Menge Humor geschrieben, wodurch viele Passagen den Charakter von Stand-up-Comedy haben. Auf die Einleitung folgen drei Hauptteile sowie ein Epilog und Quellenangaben. Im ersten Teil widmet sich die Autorin der Frage, was Streiten so anstrengend macht. Der zweite Teil präsentiert eine ganze Reihe psychologischer Studien, die dem Leser dabei helfen sollen, fundierter zu argumentieren. Im dritten Teil schließlich gibt Ermer Tipps, wie man richtig streitet – und es weniger anstrengt.

Die Psychologin spielt hierbei zwei ihrer Stärken aus: ihr fundiertes Fachwissen und ihren Humor. So erklärt sie die psychologischen Phänomene, die in Diskussionen und Meinungsbildung häufig auftreten, versiert und anhand von lustigen Beispielen. Neben bekannten Phänomenen wie dem »Confirmation Bias« (man glaubt eher einer Quelle, die eine der eigenen Meinung nahe Position vertritt) werden auch weniger bekannte Begriffe wie der »Better-Than-Average Bias« erläutert. Hinter dem englischen Fachterminus verbirgt sich das Phänomen der Selbstüberschätzung: Die meisten Menschen glauben von sich selbst, dass ihre Fähigkeiten zumindest leicht überdurchschnittlich sind. So ist die Mehrzahl der Menschen davon überzeugt, überdurchschnittlich gut Auto zu fahren.

Betreute Comedy?

Während der Humor der Autorin, der häufig auf Wortwitzen basiert, und ihre ideologische Einstellung, die sich klar dem linksliberalen Spektrum zuordnen lässt, Geschmackssache sind, sind ihre Einlassungen zur Comedy auf andere Weise diskussionswürdig. Lara Ermer ist der Meinung, dass Comedians, die durch aus ihrer Sicht problematische Grenzüberschreitungen mediale Aufmerksamkeit erlangen, ihrer Profession schaden. Nähere Erklärungen dazu, was hiermit gemeint ist, fehlen allerdings. Auch ihre mehr als gewagte Position, dass Autor und Werk untrennbar miteinander verbunden seien und daher die Werke von Menschen, die mitunter problematisches Verhalten an den Tag legen, boykottiert werden sollten, wird nicht begründet.

Schwer nachvollziehbar ist auch, dass die Autorin die für die Comedy so wichtige Kontextabhängigkeit von Sprache meist ausblendet. So seien politisch inkorrekte Witze moralisch zu verurteilen, weil psychologische Studien nachgewiesen hätten, dass etwa rassistische Witze negative Vorurteile verstärken könnten. Die hier zitierte Studie stellt zwar eine wichtige Erkenntnis heraus, ist auf das spezielle Setting der Comedy allerdings nur bedingt übertragbar. So beschleicht einen mitunter das Gefühl, die Autorin traue erwachsenen Konsumenten von Comedy nicht zu, diese als solche zu erkennen. Gerade die Abhängigkeit ihrer Wirkung vom subjektiven Geschmack der Zuschauer macht ja den Reiz und die Vielfalt dieser Kunstform aus, die wir in guten Auftritten erleben und lieben. Demgegenüber wirkt Lara Ermers Argumentation in diesem Punkt regelrecht bieder.

Insgesamt legt die Autorin ein humoristisches Buch vor, an dem besonders psychologisch nicht vorgebildete Leser Spaß haben werden und in dem sie einiges lernen können. Ermers gute Gedanken, die sie etwa zur Cancel Culture entwickelt und die auch durch wissenschaftliche Daten untermauert werden, werden leider bisweilen ideologisch überlagert.

Bleibt schließlich die Frage: Macht das Werk seine Leser zu besseren Diskutanten? Mit Blick auf die psychologischen Aspekte eines Streits lautet die Antwort: Ja, das tut es.

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