»Alles ist Klang«: Hört, hört!
Julian Treasure widmet sich den Phänomenen des Schalls sowie dem Hörvermögen von Menschen und Tieren. Der Autor wurde mit seinen »TED Talks« zu diesen Themen bekannt. In diesem Buch betrachtet er akustische Phänomene aus unterschiedlichen Bereichen. Der Untertitel »Wie Geräusche unser Leben, unser Wohlbefinden und unseren Planeten beeinflussen« verdeutlicht, dass es ihm vor allem um die Wirkung von Schall auf verschiedene Organismen und auf unsere Umwelt geht.
Dabei wird der Begriff »Klang« im Titel sowie im restlichen Text für sämtliche Arten von Schallereignissen verwendet; damit lässt der Autor die in der Akustik gängige und bedeutende Differenzierung zwischen Ton, Klang und Geräusch außer Acht. Zudem werden die biologischen und physiologischen Grundlagen des Hörens nur sehr knapp und oberflächlich präsentiert. Obwohl die kompakte Erläuterung zutreffend ist, bleibt fraglich, ob ein medizinischer Laie die Anatomie und Funktionsweise des Hörsystems auf dieser Grundlage zu begreifen vermag. Es erscheint daher ratsam, hierzu weitere Fachliteratur zu konsultieren. Und Kalauer wie »Ohrizonte« sind in einem populärwissenschaftlichen Buch tatsächlich unnötig. Sieht man von diesen Schwachpunkten ab, so ist Julian Treasure eine interessante Übersicht zu einem wichtigen Thema gelungen.
In neun Kapiteln geht der Autor verschiedenen Aspekten des Schalls und seiner Auswirkungen nach. Das erste Kapitel beschreibt auf lediglich zwölf Seiten die Grundlagen unseres Hörens. Anschließend legt Treasure unter dem Titel »Wie der Klang auf uns wirkt« die physiologischen, psychologischen und kognitiven Aspekte des Hörens dar. Hier geht es unter anderem um den »heilsamen Klang« und den »Klang der Musik«. Die meisten der hier erwähnten Schallereignisse üben eine positive Wirkung auf uns aus. Im nachfolgenden Kapitel werden die physikalischen Eigenschaften des Schalls erläutert, etwa »Schallgeschwindigkeit«, »Frequenz und Wellenlänge« sowie »Klangfarbe«. Diese Präsentation wäre inhaltlich viel besser in einem einleitenden Kapitel aufgehoben gewesen.
Das umfassende Kapitel zum Thema »Biophonie« trägt auf knapp 80 Seiten zahlreiche faszinierende Informationen über das Hören von Tieren zusammen. So geht es um die Lautäußerungen von Insekten, den Gesang der Vögel sowie die akustische Verständigung von Affen und Bären oder Hunden und Katzen. Ein umfangreicher Teil behandelt die Bewohner der Ozeane, wobei der Autor darstellt, wie auch die Meere von technisch generiertem Schall durchdrungen werden. Aus physikalischen Gründen pflanzt sich der Schall hier schneller und häufig über größere Distanzen als in der Luft fort, so dass irritierende Schallquellen selbst in Entfernungen von mehreren Hundert Kilometern das Leben von Walen, Delfinen und anderer Lebewesen negativ beeinflussen können. Schiffslärm stört zum Beispiel den Gesang von Buckelwalen. In verschiedenen Studien ist auch nachgewiesen worden, dass in Großstädten die Vögel wegen des hohen Geräuschpegels in der Umwelt deutlich lauter singen.
Ohrenbetäubender Lärm in den Städten
Unter dem Begriff »Anthropophonie« erläutert der Autor, wie sich unsere akustische Umgebung gewandelt hat – bedauerlicherweise häufig zum Negativen. In diesem Zusammenhang werden der Lärm und dessen Einfluss auf Menschen und Tiere thematisiert, und der Autor hebt hervor, dass viele Städte extrem laut sind. Der Geräuschpegel von Autos, Lkw oder Flugzeugen kann als »buchstäblich ohrenbetäubend« beschrieben werden. All dies schädigt unsere Gesundheit, denn übermäßiger Lärm ist stets mit steigendem Stress verbunden und kann Beschwerden wie Bluthochdruck oder ein erhöhtes Risiko für einen Herzinfarkt zur Folge haben. Positiv wirkt sich Schall über die menschliche Stimme oder in Form von Musik auf uns aus.
Darüber hinaus erläutert der Verfasser, wo und in welchem Zusammenhang wir akustische Signale wahrnehmen. In diesem Zusammenhang werden Themen wie »Geophonie«, »Donner« oder »Wassermusik« näher beschrieben. Treasure fasst außerdem unter dem Stichwort »Kosmophonie« zusammen, was wir über Akustik im Weltraum wissen. So ist der »Weltraum laut«, es existieren »Singende Sterne«, und auch Wetterphänomene und elektromagnetische Felder verursachen eigene Klänge und Geräusche. Im abschließenden Kapitel werden »Stille« und das »Entdecken der Stille« erläutert. Hier plädiert der Autor dafür, dass wir die »Stille auskosten« sollten.
Der Text ist in einem gut lesbaren und flüssigen Stil verfasst. Als Information und Anregung zum weiteren Lesen finden sich im Anhang ein ausführliches Literaturverzeichnis und viele detaillierte Anmerkungen. Insgesamt kann der Leser viel Interessantes über Schall, Akustik und das Hören lernen – gerade auch, wenn er vertiefende Literatur hinzuzieht.
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