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»Atlas des Weltalls«: Ein Klassiker mit Schwächen

Lara Albanese und Tommaso Vidus Rosin erklären Kindern ab zehn Jahren und Erwachsenen das Weltall. Ein Atlas in toller Aufmachung, aber mit inhaltlichen Schwächen.

Schon von Weitem ist dieses Buch sichtbar, denn es ragt durch sein großes Format deutlich aus dem Bücherregal hervor. In seinem Innern finden Kinder ab zehn Jahren ebenso wie Erwachsene viele Informationen zu unterschiedlichen astronomischen Themen. Lara Albanese (Text) und Tommaso Vidus Rosin (Illustrationen) spannen dabei einen weiten Bogen: Sie beginnen mit dem, was sich mit bloßem Auge am Nachthimmel erkennen lässt, gehen weiter zu unserer kosmischen Heimatadresse und zu den Planeten unseres Sonnensystems. Es folgt ein Kapitel über das, was Astronominnen und Astronomen heutzutage mit modernen Teleskopen im Weltall beobachten können. Ein weiterer Abschnitt widmet sich der Frage, wie der Mensch das Weltall erforscht, ein Glossar rundet das Werk ab.

Das Buch befindet sich bereits in der dritten Auflage und ist nach Aussage einer Buchverkäuferin meines Vertrauens ein Klassiker in seinem Segment. Dazu trägt neben seiner ungewöhnlichen Größe sicher auch sein Preis bei: 25 € sind äußerst moderat. Aber wie sieht es in seinem Inneren aus?

Das Format von 28 x 38 Zentimeter lädt dazu ein, große Dinge auch endlich einmal groß darzustellen, und das hat der Illustrator auf jeder Seite konsequent umgesetzt. Vor allem die Seiten rund um das Sonnensystem hinterlassen ein Wow-Gefühl! Mitunter hat der Atlas etwas von einem Wimmelbuch – im positiven Sinne, denn so können gerade Kinder auch beim zehnten oder zwanzigsten Durchblättern noch Neues entdecken. Um die Abbildungen herum sind viele kleinere und größere Textbausteine gruppiert. Sie ergänzen die Illustrationen unaufdringlich, und man muss sie auch nicht komplett lesen, um dem astronomischen Inhalt jeweils folgen zu können.

Ebenso gekonnt ist die dezente und stimmige Farbgestaltung, die auf jeder Doppelseite eine andere Atmosphäre erzeugt. Durch Farbgebung und Zeichenstil können nicht alle astronomischen Objekte genauso aussehen, wie wir sie von Fotos kennen; aber das passt zum Charakter des Buchs. Das gilt auch für die Darstellung der beiden Protagonisten, die in Wirklichkeit natürlich nicht mit Helm, Kleidchen und T-Shirt auf Plutos Oberfläche Schlittschuh laufen könnten.

Aus astronomischer Sicht sind zwei, drei Dinge dann doch leider etwas zu fantasievoll geraten. Beispielsweise steht die Mondbahn in Wahrheit nicht senkrecht auf der Erdbahn. Auch gehen an einigen Stellen Illustration und Textinhalt nicht Hand in Hand. Bei den Sternbildgeschichten etwa, die ich inhaltlich sehr gelungen finde, gibt es nicht zu allen hervorgehobenen Sternbildern eine Geschichte; umgekehrt erzählt ein Text eine Geschichte über ein Sternbild, das aber auf dem dazugehörigen Kartenausschnitt nicht abgebildet ist. Im Text über die Milchstraße werden die Namen ihrer Spiralarme aufgelistet, in der Illustration tauchen dann aber andere Bezeichnungen auf. Bei den Mondkratern und Mondbergen sind einige Namen nicht korrekt geschrieben, und ein Standort ist falsch eingezeichnet. Auch bei der Beschriftung der Mondphasen sind die Bezeichnungen durcheinandergeraten.

Beeindruckendes Format, Mängel im Detail

So hinterlässt das Buch insgesamt einen ambivalenten Eindruck. Einerseits ist es ein wahres Vergnügen, auf jeder Seite die Bilder und Texte in sich aufzunehmen. Man spürt die Begeisterung, mit denen das Autorenduo jedes einzelne Thema angegangen ist, und ihre Freude daran, viele Details darzustellen, die in den meisten astronomischen Kinderbüchern keinen Platz finden. Auf der anderen Seite gibt es auch immer wieder Textstellen, die merkwürdig formuliert sind oder auch einfach nicht der Realität entsprechen. Damit meine ich Passagen wie diese: »Jede Nacht erscheint der Mond anders. Er ist immer gleich, aber manchmal beleuchtet die Sonne nur die eine Hälfte von ihm.« – Tatsächlich beleuchtet die Sonne immernur eine Hälfte des Mondes. Oder: »Der Planet [Uranus, N.F.] liegt als einziger auf der Seite, seine Rotationsachse ist zur Sonne ausgerichtet, wie eine Bowlingkugel dreht er sich um sich selbst.« – Das stimmt so auch nicht. Die Achse des Uranus liegt zwar tatsächlich annähernd in seiner Bahnebene. Sie zeigt aber immer in dieselbe Richtung. Erst nach jeder halben Umrundung der Sonne zeigt sie wieder genau in deren Richtung – und das ist nur alle 42 Jahre der Fall.

Zunächst dachte ich, es könnte sich bei diesen Formulierungen um Ungenauigkeiten in der deutschen Übersetzung handeln, da in der englischsprachigen Version, die ich auszugsweise zur Verfügung hatte, die betreffenden Absätze teilweise völlig anders übersetzt wurden, und zwar naturwissenschaftlich korrekt und auf den Punkt. Mit Hilfe einer italienischen Kollegin konnte aber geklärt werden, dass sich die deutsche Übersetzung eng am italienischen Original orientiert hat.

Was ist nun das Fazit? Allein zum Ansehen und Durchblättern ist der »Atlas des Weltalls« ein tolles Buch. Auch die meisten Texte bieten spannende Informationen rund um das faszinierende Weltall, von denen auch für mich einige neu waren. Ich würde es dem Werk und seinen Lesern wünschen, dass der Verlag eine weitere, korrigierte Auflage ermöglicht, damit es dann auch inhaltlich zwischen den anderen Büchern herausragen kann.

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