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Buchkritik zu »Bernd Zimmer Maler: Ursprung, Farbe, Reise«

Dieses Buch widmet sich dem Werk des Malers Bernd Zimmer. Es wäre kein Thema für SuW, wenn sich mit ihm nicht ein anerkannter Künstler auf die Darstellung des Weltalls eingelassen hätte. Das ist selten genug, und allein dafür ist der Maler zu loben. Zimmer, der seine Künstlerlaufbahn vor mehr als zwanzig Jahren als Mitglied der Berliner "Jungen Wilden" begann, ist der wichtigste deutsche Landschaftsmaler der Gegenwart. Zu Recht ist er durch großformatige, abstrakt-farbenprächtige Darstellungen europäischer Berge, afrikanischer Wüsten und Südsee-Panoramen bekannt geworden. Umso mehr bin ich gespannt auf seine Interpretation kosmischer Landschaften: Die Serie "Cosmos", entstanden seit 1998. Die Titel von Zimmers Bildern greifen mutig das Vokabular der astronomischen Forschung auf: Geburt der Sterne, Starburst, Planetarischer Wind, Meteoritensturz, Sternhaufen, Fremder Planet. Die Bilder zeigen meist getupfte Sterne (mal Gelb, mal Weiß) auf schwarzem oder dunkelblauem Hintergrund, dazwischen stehen rote, blaue und gelbe Flächen. Die abstrakten, großformatigen Bilder üben mit ihrer Farbigkeit eine Faszination aus, die in dem mit höchster Qualität hergestellten Buch erhalten bleibt. Astronomiekundige Betrachter werden sich aber fragen, was diese Gemälde den eindrucksvollen Photographien, die Berufs- und Amateur-Astronomen immer wieder gelingen, hinzufügen können. Vor dem Hintergrund dieser Frage lese ich den Text von Jakob Staude, der in einem Essay auf die "Bilder der Astronomen" eingeht. Leider sind die zu seinem Aufsatz gehörigen Photographien nur kleinformatig und in Schwarz-Weiß abgebildet. Das mag an der Natur des Buches liegen, welches die Kunst Zimmers in den Mittelpunkt stellt. Gleichzeitig werden die Gemälde jedoch davor behütet, mit der zeitgenössischen Astrophotographie in Konkurrenz zu treten. Es ist hier nicht angebracht, Photographie und Malerei gegeneinander auszuspielen. Über Geschmack lässt sich (nicht) streiten.

Während die im Buch ebenfalls dargestellten Landschaften oftmals als gekonnte Reduktionen auf wesentliche Eindrücke beeindrucken, wirken die Weltraumbilder auf mich seltsam blutleer. Leider verstärkt sich dieser Eindruck beim Lesen ihrer Titel. Diese haben mit den Bildern meist nichts zu tun und wirken willkürlich darunter gesetzt. Das würde nicht weiter irritieren, wenn darin Humor zu erkennen wäre. So etwas gelang dem Berliner Poeten Jan Faktor mit seinem Gedicht Professor Voigts Abriß-Story, in dem er als astronomischer Laie Begriffe aus dem Buch "Abriß der Astronomie" (Bibliographisches Institut 1990) des Göttinger Gelehrten heraussucht und spielerisch aneinanderreiht. Daraus ergibt sich ein lautmalerisches, skurriles Panorama der astronomischen Begriffswelt, aus dem die Künstlerin Susanne Nickel aus Halle ein wunderbares Buchkunstwerk gemacht hat.

Wo aber liegt Zimmers Motivation? Was ist ihm wichtig, wenn er kosmische Landschaften malt? Was treibt ihn an, mit seiner Malerei die Erde zu verlassen und sich dem Universum zu widmen? Bernd Zimmer schweigt. Das ist nicht ungewöhnlich, klärt uns Hannelore Paflik-Huber in ihrem Vorwort auf. Tatsächlich ist es nicht seine Aufgabe als Künstler, seine Kunst zu erklären. Suchen wir also in der zeitgenössischen Malerei eine Antwort. Etwa bei Gerhard Richter, der mit großer Akribie scheinbar banale, photographische Alltags-Schnappschüsse nachmalt und dabei verwischt darstellt. Kritiker sehen in der resultierenden Unschärfe eine Verfremdung, die dem Betrachter zur Schärfung der eigenen Wahrnehmung verhilft. Es bleibt Spekulation, bei Zimmer im Kontrast zwischen Titeln und Bildinhalten ebenfalls eine Verfremdung zu vermuten. Mir sind seine Weltraumgemälde zu nah an ihren photographischen Vorbildern, um beim Betrachten eine kreative Spannung entstehen zu lassen. Ich freue mich darauf, seine Malerei wieder auf der Erde zu erleben. Nach gelben Sternen auf schwarzem Hintergrund und rotgefärbten Gaswolken sehe ich mich lieber in astronomischen Bildbänden um. Oder in "Sterne und Weltraum". Auch das ist natürlich eine Geschmackssache.

Anmerkung: Professor Voigts Abriß-Story ist ein Künstlerbuch von Susanne Nickel. Auflage: 6 Stück, jeweils Format 44x60cm, gebunden in Schuber. Jedes Exemplar ist ein Unikat, da es anders bemalt wurde. Preis: 1100 Euro. Erhältlich bei: Susanne Nickel, Rosenstraße 9, 06114 Halle/Saale, Tel. (0345) 5503298.

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  • Quellen
Sterne und Weltraum 9/2003

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