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Buchkritik zu »Biologisches Design«

Die Bionik als Wissenschaftsdisziplin gewinnt als Innovationsquelle zunehmende Bedeutung. Sie befasst sich systematisch mit der technischen Umsetzung und Anwendung von Konstruktionen, Verfahren und Entwicklungsprinzipien biologischer Systeme. Die lebende Natur wird vielfach als Suchraum für effiziente Lösungen, Inspirationsquelle, Fundgrube für Innovationen, Patentarsenal und Meisterdesignerin bezeichnet. Das ist keineswegs übertrieben, denn Millionen Jahre evolutionärer Naturprozesse bringen biologische Strukturen von überströmender Fülle und nahezu unübersehbarer Diversität hervor, die sich als Gestaltungsanregungen für neue Produkte und Technologien regelrecht anbieten.

Entwicklungsteams, Designer, Architekten und Konstrukteure orientieren sich noch zu wenig an den Strukturen biologischer Systeme. Gründe dafür sind, dass zum Beispiel entsprechende methodische Mittel zum Konstruieren in Form von Strukturkatalogen nicht verfügbar sind, um Assoziationen und Lösungsansätze vom Patentarsenal Natur abzuleiten. Es muss darum gehen, den unermesslichen Artenreichtum der Natur als Lösungspotenzial für künftige Innovationen zielgerichtet und systematisch zu nutzen. Genau hier setzt das Buch von Nachtigall an. Es bietet auf über 200 Seiten eine Fülle von biologischen Strukturdarstellungen und Funktionsbeschreibungen, welche der Verfasser als "biologisches Design" bezeichnet. Dies wird ausführlich und wohl gegliedert beschrieben.

Die Natur hat überraschend viele und bei den Designern und Konstrukteuren größtenteils noch relativ unbekannte Mechanismen und Verfahrensweisen parat, von denen man für eigenes, kreatives Entwickeln und Gestalten eine Menge Anregungen gewinnen kann. An vielen Stellen gibt das Buch dem Interessierten Hinweise an Design und Formgestaltung, an Konstruktion und funktioneller Abstimmung, regt zum Vergleich zwischen biologischen und technischen Systemen an und weist auf viele Tricks und Raffinessen hin, mit denen die lebende Natur ihre Systeme ausstattet.

Der suchende Gestalter kann damit seine Kreativität steigern und die eigene Phantasie beflügeln. Dabei ist es eine Tatsache, dass biologische Systeme als Orientierungs- und Vorbildfunktion mit ihrer strukturellen Vielfalt eine "unerschöpfliche Innovationsquelle" für material- und energiesparende technische Konstruktionen sind.

Das Buch als ein hervorragend gestaltetes Kompendium ist in drei übersichtliche Teile gegliedert. Im ersten Teil präsentiert der Autor eine umfangreiche Materialsammlung von Zeichnungen und Texten, die wichtige konstruktionsmorphologische Elemente und Systeme der belebten Welt in ihren strukturellen und funktionellen Merkmalen vorstellt. Hierin wird die Vielfalt von Lösungsmöglichkeiten aus der Sicht von Designern und Konstrukteuren dargestellt. Da kann man Anregungen gewinnen, wenn ein vergleichbares technisches Problem zu lösen ist.

Der zweite Teil beinhaltet eine Fotosammlung, die ebenfalls wie im ersten Teil nach funktionellen Merkmalen geordnet ist. Es ist keine Bildersammlung über das Reich der Pflanzen und Tiere, sondern die Darstellungen dokumentieren genau und eindeutig technisch-funktionelle Details der belebten Natur. Sie ist in die Abschnitte: Materialien und Bauten, Strukturen und Mechanismen, Haltung und Bewegung, Nahrungsaufnahmen und Fortpflanzung, Abwehr und Waffen gegliedert.

Im dritten Teil findet der Leser rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Details aus dem Pflanzen- und Tierreich, die strukturelle Merkmale besonders hervorheben. Die faszinierende Schärfentiefe und Detailgenauigkeit dieser Aufnahmen sind besonders hervorzuhebende Merkmale.

Insgesamt ist dieses Buch ein Nachschlagewerk zum Patentarsenal der lebenden Natur. Es ist auch eine Dokumentation darüber, was die Natur "konstruiert" und "gebaut" hat. Übersichtlich und einfühlsam werden die Wunder der biologischen Evolution dargestellt, mit Staunen und Faszination können wir diese wahrnehmen und als Quelle zum Weiterdenken, zum ökologischen, material- und energiesparenden Entwickeln und Gestalten nutzen.

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  • Quellen
BioSpektrum 2/2006

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