»Bis zum Grund der Welt«: Mit dem Echolot durch drei Millionen Wracks
»Über die Oberfläche des Mondes wissen wir mehr als über den Grund der Ozeane.« Sätze wie diesen hat (nicht nur) Laura Trethewey sicher schon unzählige Male gelesen. In »Bis zum Grund der Welt« beschäftigt sich die Journalistin mit der Erforschung der Ozeanböden und macht deutlich, dass sich diese Aussage vor allem auf die Vermessung des Meeresbodens bezieht. Denn nur ein Bruchteil seiner tiefen Täler, hohen Berge und weitläufigen Plateaus wurde bislang auf Karten dokumentiert. Der Meeresgrund ist in weiten Teilen Terra incognita.
Kein Wunder – sind die Ozeane doch im Durchschnitt vier Kilometer tief: ein gnadenloses Arbeitsumfeld. Um sie zu erkunden, benötigt man ein hochseetaugliches Vermessungsschiff, ein für die Tiefsee geeignetes kostspieliges Echolot und natürlich spezielle Fachkenntnisse. Und so sind es nur verhältnismäßig wenige Spezialistinnen und Spezialisten, die sich mit der Kartografie des Meeresbodens beschäftigen.
Eine Kartografin stellt Laura Trethewey in ihrem Buch genauer vor und begleitet sie auf ihren Reisen über die Weltmeere: Cassie Bongiovanni. Als frisch gebackene Hydrografin mit einem Abschluss der University of New Hampshire begab sie sich einst auf Jobsuche. Dabei stieß die junge Frau auf eine Anzeige des Investors und Entdeckers Victor Vescovo – und war bald darauf Teil der von ihm finanzierten »The Five Deeps Expedition«, die den Abenteurer zu den tiefsten Stellen aller fünf Weltmeere bringen sollte.
Weiße Flecken
Cassies Aufgabe war es, genau diese Stellen für die Tauchgänge zu finden. Spannend beschreibt Laura Trethewey sowohl die Expedition und ihre legendären Tauchgänge als auch die Arbeit von Cassie Bongiovanni, ohne deren Expertise die Rekordjagd nicht möglich gewesen wäre. Während dieser Erzählungen lernt man ganz nebenbei viel über den Stand der Vermessung der Ozeanböden und erfährt auch, warum es hierbei noch so viele weiße Flecken auf den Weltkarten gibt. Das liegt nicht nur daran, dass die Tiefseeböden so enorm große Flächen einnehmen, sondern hat auch damit zu tun, dass bei Weitem nicht alle Staaten ihre Daten und Ergebnisse mit der Weltgemeinschaft teilen.
Diese weißen Flecken zu füllen, hat sich die Organisation »Seabed 2030« zum Ziel gesetzt. Deren Aktivitäten stellt Laura Trethewey ebenfalls vor und erzählt die Geschichten der Menschen, die für diese Organisation arbeiten. Etwa jene der Hydrografin Erin Heffron, die an Bord des Forschungsschiffs »Nautilus« erst einige technische Probleme lösen muss, bevor sie ihr mühsam kalibriertes Echolot überhaupt in Betrieb nehmen kann. Allmählich bekommt man so ein Gespür für die Schwierigkeiten, mit denen die Vermesserinnen und Vermesser zu kämpfen haben.
Neben den spannenden Fakten zu kartografischen Ergebnissen und Geschichten über die Arbeit der wenigen hochambitionierten Tiefseevermesser bietet das Buch auch ein Kapitel zur Unterwasserarchäologie. Diese hängt eng mit den Echolotmessungen zusammen. Denn über die Echolotdaten kommen auch immer wieder verschollene Wracks zum Vorschein, von denen schätzungsweise noch rund drei Millionen unentdeckt auf dem Meeresgrund liegen. So weiß Laura Trethewey denn auch von eigenen spannenden Tauchgängen zu versunkenen Schiffen und untergegangenen Siedlungen zu berichten.
Mit all den aktuellen Informationen zur internationalen Tiefseevermessung und den vielen persönlichen Geschichten rund um die Erforschung des Meeresbodens ist Laura Trethewey mit »Bis zum Grund der Welt« ein kurzweiliges Sachbuch gelungen. Es präsentiert die abenteuerliche Geschichte einer noch lange nicht abgeschlossenen Entdeckungsreise. Man hebt bei der Lektüre so manchen Wissensschatz und beendet sie gleichzeitig mit dem Gefühl, dass die Erde immer noch eine Menge Geheimnisse vor uns verborgen hält.
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